10 Jahre und (k)ein bisschen weise
Ich hatte in die Nacht hineingeschrieben, aber das war nicht der Grund, aus dem es schon so früh war. Ich hatte ehrlich gesagt ganz schön Angst. Heute vor zehn Jahren am 06. Juli 2013, gegen vier Uhr morgens drückte ich auf senden.
(Im Sommer 2023. Mit dem Pfeiferauchen anzufangen, war ein wichtiger Teil meiner persönlichen Entwicklung seit dem Beginn meiner Karriere.)
Ich war einundzwanzig Jahre alt und für mich war klar, daß ich entweder unter Klarname schreibe, oder gar nicht. Daß ich etwas angespannt war, wäre eine Untertreibung.
Die E-Mail (wissen Zoomer überhaupt, was das ist) ging an Felix Menzel, Chefredakteur der „Blauen Narzisse. Heute leitet Menzel die wirtschaftspolitische Denkfabrik „Recherche Dresden“. Die Blaue Narzisse war sein Versuch einer Kaderschmiede junger rechter Publizisten. Jeder konnte dort Texte einreichen, die von Menzel auch gelesen wurden. War etwas selbst zur Veröffentlichung als Meinungsbeitrag eines Studenten zu miserable, dann machte er sich trotzdem die Mühe, nicht nur eine knappe Ablehnung zu schreiben, sondern den jungen Autoren auch zu erklären, warum er einen Text nicht annehmen konnte. Erst später in meiner publizistischen Laufbahn sollte ich lernen, daß das keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist.
Deshalb an dieser Stelle erst einmal vielen Dank an dich Felix!
Bei einigen meiner „Kollegen“ von damals, weiß ich, was aus ihnen geworden ist und ich kann sehen, daß das Menzels Projekt langfristig Früchte getragen hat. Pars pro toto: Den Ein-Prozent-Gründer Philipp Stein lernte ich im Herbst 2014 bei einem Praktikum für die Blaue Narzisse in Dresden kennen.
Auch jenseits des politischen Erfolges war die Blaue Narzisse damals eine sehr gesunde Umgebung, was jemanden, der an die heutige Zeit gewöhnt ist, verblüffen konnte. Auf meinem ersten Autorenseminar sah ich verwundert, wie ein schlaksiger Typ, eine richtige Bohnenstange mit seiner fetten Freundin durch die Tür kam. Ich irrte mich gleich doppelt: Es war nicht seine Freundin, sondern seine Ehefrau und sie war nicht fett, sondern schwanger.
Mein Text war eine Antwort auf eine „Verteidgung des liberalen Universalismus“ und ihre Fortführung zu „Universalismus und Islamkritik“, von Robin Classen. Ja ihr Hosenscheißer, das waren die Debatten der damaligen Zeit. Idyllisch, aber auch etwas peinlich. Nach langer Überarbeitung durch die Redaktion wurde der Text dann am 18. Juli veröffentlicht. Das alles ist nur noch über Wayback verfügbar. Von wegen das Internet vergisst nichts. Untenstehend publiziere ich dann zum ersten Mal den Text, den ich damals eingereicht habe.
Ich veröffentliche das auch deshalb um jungen Rechten, die sich mit dem Gedanken tragen eine publizistische Karriere anzustreben, zu zeigen, wie so etwas anfängt. Pro-Tip: Die Fußnoten kannst du dir außerhalb einer akademischen Arbeit schenken. Lediglich die Rechtschreibfehler habe ich aus meinem ersten Manuskript getilgt, alles andere ist unverändert, selbst die neue Rechtschreibung. Die alte habe ich mir erst drei Jahre später angewöhnt, als ich begann für die Sezession zu schreiben.
Würde ich diese E-Mail heute wieder absenden? Würde ich wieder unter Klarname schreiben? Es ist absurd, aber auch amüsant, was für Folgen es hat wenn man einmal einschlägig im Internet steht. In einer Handvoll Trierer Kneipen habe ich wegen meiner Autorschaft für die Blaue Narzisse bis heute Hausverbot. Der AStA hat mich deshalb irgendwann auf eine schwarze Liste gesetzt. Zur Recherche waren diese Antifanten schon damals zu faul und wussten gar nicht, was ich da schon alles gemacht hatte. Es ist ärgerlich, aber auch lustig, wenn heute ein Kellner zu mir kommt und fragt, ob ich für die Blaue Narzisse schreibe und daß ich dann bitte das Lokal verlassen müsste.
Das sind natürlich nur die kleinen Dinge. Als einundzwanzigjähriger Student denkt man anders, oder vielleicht eher gar nicht an Beruf und Familie. Ein führender identitärer Aktivist, nein nicht Sellner, sagte mir einmal: „Man muß die Brücken hinter sich verbrennen, bevor man weiß, daß sie überhaupt da sind.“ Ich werde niemanden dazu aufrufen, diesen Weg einzuschlagen, auch wenn die AfD heute ein viel weiteres Auffangnetz bietet, als damals.
Wer es doch tun will der muß jedenfalls zweierlei wissen, von dem ich mir heute wünsche, daß man es mir frühzeitig gesagt hätte: Erstens, du mußt Selbstvermarkter sein. Deine Bekanntheit ist dein Kapital und es gibt niemanden, der sie dir für dich verschafft. Zweitens, du mußt gut sein, die rechte Intelligenz hat keine universitären Versorgungsposten zu bieten deshalb gilt das eiserne Gesetz der Parteo-Verteilung. Wenn du dir das zutraust, dann gut.
Doch nun genug von mir. Lesen wir nun einen jungen ambitionierten Nachwuchsautor:
Moral und Recht
Allgemeine Menschenrechte und absolute Feindschaft
Eine Antwort auf Robin Classen
von Johannes Konstantin Poensgen
Robin Classen hat in zwei Artikeln eine fulminante Verteidigung des liberalen Universalismus geliefert.1 Die Argumentation dieser Artikel, welche sich insbesondere gegen den Antiliberalismus und Antiuniversalismus der Identitären Bewegung richten, wirft Liberalismuskritikern zum einen ein falsches Bild vom Wesen des Liberalismus, zum anderen eine kulturrelativistische Weltsicht vor, welche den Islam verharmlose.
Der liberale Universalismus ist nach Classen gleichbedeutend mit den Menschenrechten. Diese seien die überzeitlichen, universalen Grundnormen menschlichen Daseins, welche sich durch die gesamte Geistesgeschichte der Menschheit ziehen. Classen betrachtet sie bewusst nur als kleinsten gemeinsamen Nenner menschlicher Ethik. Deshalb sei der liberale Universalismus, anders als der kommunistische oder nationalsozialistische unideologisch. „Der philosophische Universalismus lebt doch gerade nicht von starren, fertigen und bis ins Detail ausgearbeiteten Ideologien, sondern vom gemeinsamen Kielstein im Fundament des Hauses der Menschheit! Vom Kleinen, das das Große zusammenhält.“2 Die auch von ihm anerkannten Missstände im heutigen Europa führt Classen auf den Marxismus der 68er zurück, welcher dem Liberalismus entgegengesetzt sei und die „vom Liberalismus nie beanstandeten konservativen Elemente“3 zerstört habe.
Zunächst muss auf den Irrtum hingewiesen werden, das was heute als Menschenrechte bezeichnet wird, als überzeitliches Produkt menschlichen Geistes, welches zu allen Zeiten vorgekommen ist, zu betrachten, oder ihm auch nur eine zu lange Ahnenreihe zuzurechnen. Samuel Moyn4 hat eindrucksvoll dargestellt, wie das heutige Menschenrechtsverständnis sich erst seit den 70ern durchsetzte und seine Vorgänger höchstens bis in den Ersten Weltkrieg (zu Wilson) zurückreichen.
Das Entscheidende des Menschenrechtsbegriffes ist keines der einzelnen Rechte oder auch das Zusammenstellen von Rechtekatalogen. Der Menschenrechtsbegriff definiert sich durch die Verbindung von 'Menschen' und 'Rechten'.
Rechte sind Ansprüche, welche auf juristischen Normen beruhen, auf Gesetzen.
Das Gesetz wird erlassen. Es stammt von einer Person oder Versammlung, welche für sich die Legislativgewalt beansprucht.
Das Gesetz wird ausgelegt. Es regelt den Einzelfall durch eine Person oder Gruppe, welche für sich die Judikativgewalt beansprucht.
Das Gesetz wird durchgesetzt. Es wirkt durch eine Person oder Gruppe, welche für sich die Exekutivgewalt beansprucht.
Ein Mensch ist ein Individuum der Spezies Homo Sapiens. Er ist dies unabhängig von Stand, Geschlecht, Rasse, Religion, Weltanschauung, Alter, Nationalität oder dem Hoheitsgebiet, in dem er sich befindet.
Wer diesem Menschen ein Recht zuzuerkennen, zu entscheiden ob es verletzt wurde und es durchzusetzen beansprucht, beansprucht legislative, judikative und exekutive Gewalt über das Universum der Menschheit.
Er ist ein Universalist.
Aus solchen Prinzipien ergibt sich logisch folgerichtig eine 'resposibility to protect' (oder, bei anderer universaler 'Rechtslage' zur sozialistischen Weltrevolution), welche jedes Völkerrecht, jede Einhegung internationaler Feindschaft, sprengt, sprengen muss. Denn Völkerrecht ist an sich ein absurdum, da niemand im anarchischen Raum der Weltpolitik ein Recht erlassen kann. Seine segensreiche Wirkung ist nur möglich durch die Anerkennung des Anderen als souveränem Fremden. Dadurch kann es zu Übereinkünften und einer meist halbformellen Regelung des gegenseitigen Umgangs, auch und gerade während eines Krieges, kommen. Es kann ein empfindliches System aus gegenseitigen Erwartungen, Ethik und Ehre entstehen, welches mangels einer übergeordneten Souveränität besser alsVölkerehrenkodex bezeichnet würde. Ein solches zu errichten gelang Europa nach den Schrecken der Konfessionskriege. Es war die größte Leistung abendländischer Zivilisation.
Es mag an dieser Stelle eingewendet werden, dass die Vereinten Nationen mit ihrer Charta und den entsprechenden anderen Abkommen zu Völkerrecht und Menschenrecht diese alte Ordnung (Die gar nicht so alt ist, sie dauerte vom Westfälischen Frieden 1648 mit einer Herausforderung durch die Französische Revolution und nach ihrer Restauration auf dem Wiener Kongress bis zur Russischen Revolution 1917.5) durch eine neue und bessere ersetzt haben. Eine Ordnung in der die Menschenrechte von den Vereinten Nationen kodifiziert sind, ihre Einhaltung vom Weltsicherheitsrat überwacht wird und sie von den überlegenen Streitkräften des Westens, insbesondere der Vereinigten Staaten von Amerika durchgesetzt werden. Doch die Vereinten Nationen können die alte Völkerrechtsordnung nur ergänzen, nicht ersetzen. Denn Völkerrecht muss, da es nicht von einer höheren Macht erzwungen werden kann, auf der gegenseitigen Achtung souveräner Völkerrechtssubjekte beruhen. Die Vereinten Nationen können solchen Völkerrechtssubjekten ein neutrales Forum bieten. Es ist so einfacher, möglich internationale Abkommen mit möglichst vielen Unterzeichnern abzuschließen. Diese dürfen aber, wie kein zwischenstaatlicher Vertrag, gegen die politische Realität verstoßen, sonst verlieren sie ihre Bedeutung oder werden zur Farce von lediglich propagandistischem Wert. Dies ist auch der Erklärung der Menschenrechte widerfahren. Schon ihre Unterzeichnung 1949 geschah unter der stillen Voraussetzung, das sich zumindest Atommächte nicht daran zu halten hätten. Dies war insbesondere das Anliegen der Sowjetunion, aber auch die Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien dachten gar nicht daran, sich bei der Aufstandsbekämpfung solchen Restriktion zu unterwerfen und US-Amerikanische Geheimdienste fühlen sich auch nicht an sie gebunden. Der Weltsicherheitsrat mit seinen fünf Vetomächten ist hiervon das sichtbarste Zeichen.
Völkerrechtlich betrachtet kann Nordkorea also sehr wohl Abweichler oder wen auch immer in Lager sperren. Es steht nicht nur als Atommacht durch den stillen Vorbehalt über der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte, dieser fragliche Rechtsanspruch könnte leicht beiseite gewischt werden, sondern Nordkorea steht politisch faktisch über den Menschenrechten. Den ein Angriff auf Nordkorea mit dem Ziel des Regimewechsels ist aufgrund seiner atomaren Bewaffnung nicht möglich. Zum Recht gehört aber notwendig Zwang, gehören Polizei und Justiz. Ein Gesetz kann unmöglich für den gelten, der zu seiner Einhaltung nicht gezwungen werden kann. Dies gilt nicht nur für Nordkorea sondern in noch höherem Maße für all die Mächte, die außer Atomwaffen noch andere Machtmittel haben. Damit fällt das ganze Menschenrechtssystem auseinander und verkommt zu einem Propagandamittel in den Händen der Kriegslustigen.
Das bedeutet keinesfalls, das Nordkoreas Verhalten gegenüber Dissidenten moralisch richtig ist.
Classen rennt in die selbe Falle wie alle Naturrechtler: die Gleichsetzung von Recht und Moral.
Moral ist eine Frage dessen, was gut ist, nicht dessen was vorgeschrieben ist. Rechtmäßig handeln wir, indem wir uns an vorgegebene Regeln halten. Moralisch handeln wir indem wir auf unser Gewissen hören. Dieses Gewissen, diese innere Stimme macht die Moral zunächst zu einem individuellen Phänomen. Da unser Denken und Fühlen aber von der Gemeinschaft beeinflusst werden in der wir leben, und unsere Moralvorstellungen diese Gemeinschaft wiederum beeinflussen können ist sie auch ein kollektives Phänomen. Und es gibt moralische Grundimpulse wie „Du sollst nicht töten“ (zumindest nicht ohne triftigen Grund). Sie wurden uns von der Evolution eingebrannt, sind allen Menschen gemein (wer sie nicht hat wird zurecht als Geisteskrank betrachtet), treten aber bei unterschiedlichen Individuen in unterschiedlicher Stärke auf (ob es rassische Unterschiede gibt ist bestenfalls ansatzweise erforscht). Diese Mischung aus individuellen, kollektiven und genetischen Elementen, macht die Frage nach der Allgemeingültigkeit einer moralischen Norm so schwierig. Moral ist weder beliebig noch kodifizierbar oder universell. Sie kann uns dadurch Anleitungen für unser Handeln geben, die weit über den Bereich des juristisch Normierbaren hinausgehen, das Recht, das festgelegte Gebot und Verbot, jedoch nicht ersetzen.
Liberale Islamkritiker verwechseln diese Begriffe jedoch nicht nur auf nationaler Ebene, was schlimm genug wäre, sie beurteilen die ganze Welt nach den Wertmaßstäben ihrer Ideologie, mit der Prämisse, dass alles was diesen nicht entspricht böse und unrecht ist. Zwischen beiden Begriffen wird oft nicht einmal formell unterschieden. Die 'Menschenrechtsverletzung' ist hier das bekannteste Beispiel. Der liberale Islamkritiker begeht hier nicht nur eine gewaltige Anmaßung sondern auch zwei Fehler, die sollte er jemals zur Macht gelangen entsetzliche Konsequenzen haben müssen.
Zunächst übersieht er, dass Recht wie auch Moral durchaus regionale Unterschiede aufweisen können. Das Recht entwickelt sich nämlich hauptsächlich, die Moral zu einem guten Teil, aus den Bedürfnissen eines Volkes nach Normen für seine spezielle Lebensweise, welche sich im Verlauf der Geschichte durch vielfältige Einflüsse herausgebildet haben6. Ein Beispiel: Jeder von uns wird Mitleid mit Zwangsverheirateten empfinden. Wir müssen uns jedoch ins Gedächtnis rufen, dass dies in Gesellschaften vorkommt, in denen die Familie, die Sippe oder der Clan große politische und/oder wirtschaftliche Bedeutung haben. Eine Eheschließung ist hier keine Angelegenheit zwischen zwei Liebenden, sondern zwischen zwei Sippen. In Gesellschaften, in denen die Verhältnisse noch vor kurzer Zeit so waren, sich aber inzwischen verändern, verschwindet auch die arrangierte Ehe, wenn auch zeitverzögert.
Liberale wollen nun solche fremden Gesellschaften anhand der Leitlinien ihrer Ideologie verändern, dabei gelingt es ihnen noch nicht einmal in ihren eigenen Ländern funktionierende Gesellschaften aufzubauen.7 Es ist schlichtweg falsch, wenn Classen die Übel des modernen Westens sämtlich einer als Marxisten bezeichneten Linken aufbürdet. Die beiden drängendsten Probleme des heutigen Europas: Masseneinwanderung und demographischer Niedergang, wurden von Liberalen und Linken gemeinsam erschaffen. Beide predigten offene Grenzen, die Auflösung der Nationalstaaten sowie ein der Mutterschaft entgegengesetztes Frauenideal. Auf intellektueller Ebene ist zwischen Linken und Liberalen sowieso kaum noch zu unterscheiden. Man ordne einmal Jürgen Habermas, den einflussreichsten Denker der Bundesrepublik, klar einem Lager zu. Auch auf kleinerer Ebene ist kaum ein Geistes- oder Gesellschaftswissenschaftler noch reiner Marxist oder reiner Liberaler. Wobei anzumerken ist, dass der reine Marxist im akademischen Betrieb eindeutig dem lunatig fringe zuzuordnen ist, der reine Liberale nicht. Es ist folgerichtig wenn die liberale Islamkritik dem Islam vorwirft linksliberale Schwächen und Dekadenzerscheinungen nicht mitzumachen. Man merkt dort offenbar nicht einmal wie lächerlich sich der Angehörige einer Kultur mit unserer Demographie macht, wenn er dem Islam Frauenunterdrückung vorwirft. Diese Vorwürfe sind nicht neu, aber vor hundert Jahren konnten wir sie im Vollbewustsein unserer Überlegenheit erheben, heute sind sie jämmerlich. Manfred Kleine-Hartlage bemerkte hierzu sinnig:
„Wer den Islam hauptsächlich deshalb kritisiert, weil Muslime das alles ablehnen und selbst nicht praktizieren, kann ihn kritisieren, solange er will – nein, nicht solange er will: Er kann ihn genau so lange kritisieren, bis die Moslems zahlenmäßig stark genug sind, ihm das Maul zu stopfen.“8
Ist der erste Fehler einer des politischen Verständnisses, so ist der zweite einer der politischen Ethik.
Dadurch, dass der liberale Islamkritiker im Weltmaßstab Recht und Moral verwechselt, in Verbindung mit einer Verabsolutierung der eigenen Moralauffassung, erklärt er den Islam zum absoluten Feind. Der Islam wird als grüne Pest verunglimpft, welche vom Erdboden zu tilgen sei.
Listen von Gräueltaten mit höchst fragwürdiger Aussagekraft werden erstellt. Seinen Gipfel findet dies in der Absurdität alle Toten der Kriege im und um den islamischen Raum der letzten 1400 Jahre zusammenzuzählen um eine Verbrechensstatistik mit 270 Millionen Ermordeten präsentieren zu können9. Damit wendet sich der Verteidiger des Westens gegen den Kern des europäischen Völkerrechts: die Achtung vor dem Feind als legitimen Anderen. Die Identitären haben somit recht, wenn sie liberalen Islamkritikern vorwerfen nicht Deutschland oder Europa sondern den liberalen Westen zu verteidigen. Es soll hier gar nicht abgestritten werden, dass Moslems in unserem Land weit überdurchschnittlich gewalttätig sind, oder dass Muslime in ihren Heimatländern Nicht-Muslime zum Teil brutal unterdrücken. Dass der Islam die Abgrenzung gegenüber dem Anderen schärfer vollzieht als die meisten anderen Kulturen und Religionen ist offensichtlich. Nur: diese Abgrenzung an sich ist nicht islamisch. Sie findet sich in allen Kulturen, zumindest in solchen die das 22. Jahrhundert noch zu erleben beabsichtigen. Die maßlose Verteufelung des Islam sowie die spiegelbildlich ebenso maßlose Überhöhung der eigene Wertvorstellungen als Menschenrechte ist nicht einfach nur anmaßend. Sie ist unvereinbar mit dem europäischen Völkerrechtsverständnis, und seiner Einhegung des Krieges. Sie greift diese Begrenzung der Feindschaft an, die durch ein Jahrhundert der Universalismen bereits schweren Schaden genommen hat. „Mit jenen Hegungen des Krieges war der europäischen Menschheit etwas Seltenes gelungen: der Verzicht auf die Kriminalisierung des Kriegsgegners, also die Relativierung der Feindschaft, die Verneinung der absoluten Feindschaft. Es ist wirklich etwas Seltenes, ja unwahrscheinlich Humanes, Menschen dahin zu bringen, daß sie auf eine Diskriminierung und Diffamierung ihrer Feinde verzichten“10 Beteuerungen liberaler Islamkritiker man kämpfe nicht gegen die Moslems sondern für sie, gegen den sie knechtenden Islam sind genau solche Lügen wie die entsprechenden Floskeln der Sowjets, oder Woodrow Wilsons. Classens Aussage: „Wer den Islam an sich angreift und zur Befreiung der Völker des Nahen Ostens von ihrer Jahrhundertelangen Knechtschaft aufruft, muss sich von Identitären die an Zynismus kaum noch zu überbietende Frage stellen lassen, wer denn die Menschen dort gefragt hätte, dass sie befreit werden wollten. Als ob von einer Ideologie verblendete, jeglicher Freiheit beraubte Menschen überhaupt in der Lage sind, darauf eine selbstbestimmte Antwort zu geben!“,11 ist nicht nur offensichtlich Marx Lehre vom falschen Bewusstsein auf Liberal und einer von vielen Belegen für die nahe Verwandtschaft linker und liberale Ideologien. Sie hat vor allem die selbe Konsequenz wie im Marxismus: Sie rechtfertigt die Liquidation Widerspenstiger12. Die liberale Islamkritik, sollte ihr die nötige Macht beschieden sein, könnte gar nicht anders als jeden starrsinnigen Muselmann, der nicht konvertiert zu töten. Und sei es nur damit er seinen besserungswilligeren Brüdern kein schlechtes Beispiel ist.
Manche Islamkritiker haben einen Hass entwickelt, bei dem ich gar nicht mehr zu unterscheiden vermag ob sie nun die Vernichtung des Islams fordern, weil sie ihn hassen, oder ob sie den Islam verteufeln um ihren Hass zu rechtfertigen. Den die Mittel die allein das Ziel liberaler Islamkritik, die Auslöschung des Islams, erreichen könnten: Atomwaffen oder Terror und Erziehungsdiktatur, weisen eine moralische Dynamik auf, die Carl Schmitt einmal nur für die Atombombe beschrieb: „Sie besteht in der Unentrinnbarkeit eines moralischen Zwanges. Die Menschen, die jene Mittel gegen andere Menschen anwenden, sehen sich gezwungen, diese anderen Menschen, d. h. ihre Opfer und Objekte, auch moralisch zu vernichten. Sie müssen die Gegenseite als Ganzes für verbrecherisch und unmenschlich erklären, für einen totalen Unwert. Sonst sind sie eben selber Verbrecher und Unmenschen. Die Logik von Wert und Unwert entfaltet ihre ganze vernichtende Konsequenz und erzwingt immer neue, immer tiefere Diskriminierungen, Kriminalisierungen und Abwertungen bis zur Vernichtung allen lebensunwerten Lebens.“13
Was ist der Identitären Bewegung und andern Rechten (denn dass die Identitären der Rechten zuzuordnen sind, ob sie das zugeben oder nicht, hat Classen richtig erkannt) bezüglich der Islamkritik, insbesondere der liberalen, zu raten?
Ich verstehe voll und ganz die Position, die etwa vom Funken vertreten wird, wonach die Islamkritik ein zwar fehlgeleiteter aber angesichts der Lage willkommener Verbündeter ist.14
Obwohl ich das das Potential der Islamkritik nicht primär im durchbrechen der political correctness sehe, sondern in einem weit problematischeren Umstand: Die Rechte appelliert an Dinge wie Patriotismus, Heimatliebe, Volkssolidarität, aber auch politischen Realitätssinn. Doch kann man all dies verhältnismäßig einfach aus den Köpfen der Leute entfernen. In der Bundesrepublik arbeiten ganze Legionen von Erziehern, Lehrern, Medienfachleuten, Professoren und andere an diesem Ziel. Die Islamkritiker appellieren an etwas anders, etwas das sich nicht so leicht verdrängen lässt, an Angst und Hass. Darin liegt ein hohes, aber sehr gefährliches Mobilisierungspotenzial. Die Lage lässt keine Verschwendung von Ressourcen zu. Nachdem dies hier geklärt, und die Fronten abgesteckt sind, sollte sich die Rechte nur gegen Islamkritiker wenden, wenn eine Provokation vorliegt die beantwortet werden muss. Rechte können es sich heute nicht erlauben sich mit der Islamkritik zu überwerfen, und werden sie oft genug als Verbündeten akzeptieren müssen.
Es ist nicht gesagt, dass die heraufbeschworenen Schreckbilder von einem Ende der Masseneinwanderung in zahllosen Massakern ausbleiben werden. Wenn das passiert wird keiner unschuldig bleiben. Trotz alledem ist einer Ideologie, die in letzter Konsequenz die Vernichtung von einer Milliarde Menschen fordert, weil diese nicht ins Konzept passen, mit höchstem Misstrauen zu begegnen.
1Classen, R., 2013: Verteidigung des liberalen Universalismus (I), in: blauenarzisse.de, http://www.blauenarzisse.de/index.php/anstoss/item/3960-verteidigung-des-liberalen-universalismus-i [letzter Zugriff: 6.7.2013 02:10].
sowie
Classen, R., 2013: Universalismus und Islamkritik (II), in blauenarzisse.de,
http://www.blauenarzisse.de/index.php/anstoss/item/3967-universalismus-und-islamkritik-eine-identitaere-debatte-ii [letzter Zugriff: 6.7.2013 02:10].
2Classen, R., 2013: Verteidigung des liberalen Universalismus (I), in: blauenarzisse.de, http://www.blauenarzisse.de/index.php/anstoss/item/3960-verteidigung-des-liberalen-universalismus-i [letzter Zugriff: 6.7.2013 02:10].
3 Classen, R., 2013: Universalismus und Islamkritik (II), in blauenarzisse.de,
http://www.blauenarzisse.de/index.php/anstoss/item/3967-universalismus-und-islamkritik-eine-identitaere-debatte-ii [letzter Zugriff: 6.7.2013 02:10].
4Moyn, S., 2010: The last utopia, human rights in history, Cambridge u. a.
5Vergl.: Schmitt, C., 1963: Theorie des Partisanen, Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, Berlin.
6Vergl.: Kleine-Hartlage, M., 2013: Mein neues Buch: „Die liberale Gesellschaft und ihr Ende“, in: http://korrektheiten.com/2013/06/28/mein-neues-buch-die-liberale-gesellschaft-und-ihr-ende/#more-12302 [letzter Zugriff: 5.7.2013 23:01].
7Vergl.: ebd.
8Kleine-Hartlage, M., 2011: Liberale und konservative Islamkritik, in: http://www.pi-news.net/2011/09/liberale-und-konservative-islamkritik/ [letzter Zugriff: 6.7.2013].
9Vergl.: Stürzenberger, M., 270 Millionen Tote, in: http://www.bayern.diefreiheit.org/verfassungsschutzprasident-maasen-man-muss-islam-nicht-mogen-pi-wird-nicht-beobachtet/270-millionen-tote/ [letzter Zugriff: 6. 7. 2013].
10Schmitt, C., 1963: Theorie des Partisanen, Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, Berlin, S.92.
11 Classen, R., 2013: Universalismus und Islamkritik (II), in blauenarzisse.de,
http://www.blauenarzisse.de/index.php/anstoss/item/3967-universalismus-und-islamkritik-eine-identitaere-debatte-ii [letzter Zugriff: 6.7.2013 02:10].
12Vergl. Kleine-Hartlage, M., 2007: What's left III- „Dialektik der Aufklärung“, in: http://korrektheiten.com/2007/08/21/whats-left-iii-dialektik-der-aufklarung/ [letzter Zugriff: 6.7.2013 02:21].
13Schmitt, C., 1963: Theorie des Partisanen, Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen, Berlin, S.95.
14Der Funke, 2013,: Vom Nutzen und Nachteil der Islamkritik 2, in:
http://derfunke.info/?p=237
[letzter Zugriff: 6.7. 2013 03:08]