Der politische Mittelbau
Es gibt nicht nur Führung und Masse. In jeder politischen Bewegung gibt es einen Mittelbau. Er ist unverzichtbar. Und bereitet der Führung oft Kopfschmerzen.
(Bild: Midjourney)
Ich habe im Zuge der Auflösung der Jungen Alternative auf dieses Phänomen aufmerksam gemacht, daß im öffentlichen Bild politischer Organisationen seltsam unterbeleuchtet ist: Der Mittelbau jeder politischen Bewegung. Ich habe diesen Mittelbau die „engagierten Amateure“ genannt. Es ist schon an sich bezeichnend, daß es dafür keine etablierte Bezeichnung gibt.
Wenn eine politische Bewegung beschrieben wird, dann redet man wie selbstverständlich von Führung und Masse oder von Leitung und Anhängern und so weiter. Aber für das dazwischen hat sich nie auch nur ein Begriff durchgesetzt. In der Identitären Bewegung, gibt es die Kategorie des „Aktivisten“ im Gegensatz zum „Unterstützer“, aber diese Differenzierung bezieht sich auf etwas anderes: Der Aktivist ist einer, der selbst an den Aktionen teilnimmt, die die IB auszeichnen, der Unterstützer ist jemand der, wie auch immer, unterstützt, aber eben selbst nicht auf Dächern und am Banner steht.
Dieser politische Mittelbau ist es aber, der überall macht, daß die Lichter an bleiben. Manchmal sprichwörtlich, weil vor irgendeiner Veranstaltung jemand die Kabeltrommel anschließen muß, damit das Licht brennt. Politische Organisationen, selbst wenn sie als Parteien über erhebliche Mittel verfügen, sind für eine Vielzahl von Tätigkeiten auf Ehrenamtliche angewiesen. Daß sie ihre Tätigkeiten ehrenamtlich ausführen, ist ein wesentliches Merkmal des politischen Mittelbaus oder besser andersherum: Es ist ein wesentliches Merkmal, daß sie nicht in irgendeiner Weise von der Politik leben und damit in der politischen Struktur selbst keine materiellen Abhängigkeiten haben.
Aber nicht jeder Ehrenamtliche ist Teil des politischen Mittelbaus. Denn es gibt auch einen anderen Typus. Ich möchte ihn den gutmütigen Unterstützer nennen, dieser hat das Herz am rechten Fleck und manche dieser Art stecken einen sehr erheblichen Teil ihrer Freizeit in die Sache. Tatsächlich ist es meistens dieser Typus, der ganze Stadtviertel mit Flugschreiben versorgt, beim Kreisverbandsfest zehn Stunden am Stück Würstchen grillt, oder Nacht für Nacht Wahlplakate aufhängt. Aber der gutmütige Unterstützer ist in keinster Weise ein selbständiger politischer Kopf. Seine Selbständigkeit innerhalb der Organisation ist eher beschränkt und seine Ansichten und Meinungen richten sich entweder direkt an deren offizieller Linie aus, oder aber, fallen in den Bereich des Kuriosen. Der linientreue Verschwörungstheoretiker ist eine viel häufigere Erscheinung, als man denken mag.
Das zweite bestimmende Merkmal des politischen Mittelbaus ist eine nennenswerte Bereitschaft zur eigenständigen politischen Bildung. Das ist nicht deshalb wichtig, weil ich hier irgendein Bildungsideal, nach Humboldt oder sonst jemandem verkaufen möchte, sondern es bestimmt in Wechselwirkung mit der finanziellen Unabhängigkeit vom politischen Betrieb die Stellung des Mittelbaus innerhalb einer politischen Organisation.
Beim politischen Mittelbau kommt finanzielle Unabhängigkeit vom politischen Betrieb mit einer keinesfalls vollständigen, aber doch sehr weit reichenden geistige Unabhängigkeit zusammen. Das bereitet der Führung oft genug Kopfschmerzen. Aber nicht deshalb, weil es besser wäre, gedankenlose Befehlsempfänger zu habe.
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