Die Sackgassenstürmer – Rechtsbruch und Eskalationsdominanz
Die Präsidentschaft des „brasilianischen Trump“, Jair Bolsonaro, endete mit der Wiederholung einer Komödie als Farce. Der Populismus steht vor einem strategischen Problem: Was tut man, wenn der Gegner bestimmt, wie weit die Regeln der Demokratie gelten?
(https://fr.wikipedia.org/wiki/Manifestations_%C3%A9lectorales_br%C3%A9siliennes_de_2022-2023#/media/Fichier:Invas%C3%A3o_do_pr%C3%A9dio_do_Congresso_Nacional_(52616147896).jpg)
Im Glauben dadurch einen Wahlbetrug verhindern zu können, haben die Anhänger Bolsonaros den Präsidentenpalast, den Kongress und das Oberste Gericht besetzt. Nach einer kurzen Szene des Chaos, wurden sie von den Streitkräften verhaftet, die sie zunächst in der Annahme bejubelt hatten, das Militär würde nun endlich gegen den Sozialisten de Silva vorgehen. Anders als bei der zeitweisen Besetzung des US-Kapitols in Washington am 6. Januar 2021, geschah dies alles nicht während eines wichtigen Staatsaktes. Der neue Präsident Lula de Silva war nicht in der Stadt. Der ehemalige Präsident Bolsonaro noch nicht einmal mehr im Land. Man rannte leere Hallen ein. Wenigstens wurde diesmal niemand von der Polizei erschossen.
Ich muß dazu sagen, daß ich mir schon mangels Kenntnis der Landessprache kein Urteil darüber anmaße, ob der Vorwurf des Wahlbetrugs in Brasilien begründet ist, oder nicht. Dasselbe gilt für den von der Gegenseite erhobenen Vorwurf der Wahlbehinderung durch Aussetzung von Buslinien, welche die armen Anhänger Lula de Silvas benötigt hätten, um ins Wahllokal zu fahren. Lediglich zwei Allgemeinheiten: Erstens sind Wahlcomputer immer suspekt und kein Mittel um eine demokratisch legitime Wahl durchzuführen. Das liegt in der Natur dieser Technologie, die vom Laien gar nicht und selbst vom Fachmann nur durch aufwändige Begutachtung von Hard- und Software überprüft werden kann. Zweitens ist die Sicherheit des brasilianische Wahlsystems in anderer Hinsicht vorbildlich, weil es dort weder Frühwahl, noch Briefwahl gibt. Wer es nicht hinbekommt, am Wahltag im Wahllokal zu erscheinen, wählt eben nicht.
Daß solche „Stürme“ auf öffentliche Gebäude für die Sache der Beteiligten nur schädlich sind, ist unbestritten. Daß jedoch weder die kürzlichen Ereignisse in Brasilia, noch die vor zwei Jahren in Washington Putschversuche waren, sollte schon aufgrund der offenkundigen Planlosigkeit der Besetzer deutlich sein. In jeder Demokratie gibt es solche Regelbrüche bei Protesten, die für gewöhnlich höchstens eine Geldbuße nach sich ziehen, welche von politischen Aktivisten eingepreist wird. Daß die Gegenseite sie trotzdem zu Akten des Hochverrates hochspielt, ist selbst bereits eine Eskalation. Doch daß sich der Kapitolsturm vom 6. Januar in verblüffender Ähnlichkeit wiederholt hat, zeigt ein tieferes Problem populistischer Politik auf.
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