Eigentumsfragen
Bruno Wolters, einigen bekannt als stellvertretender Chefredakteur bei Freilich, hat sich zum Thema eines Buchprojektes die Institution des Eigentums gewählt.
Das Ziel, das er sich gesetzt hat ist, auf gerade einmal 128 kleinen Seiten, die Menschheits- wie Geistesgeschichte des Eigentums abzureißen und darauf aufbauend der politischen Rechten eine Empfehlung für den Umgang mit der Eigentumsfrage heute abzugeben.
Wolters beginnt mit einer kurzen Menscheitsgeschichte des Eigentums: Von den Jägern und Sammlern bis heute. Daran hat er sich leider übernommen. Die Kritik muß an dieser Stelle über den konkreten Fall hinausgehen und ein allgemeineres Phänomen neurechter Theorieliteratur in den Blick nehmen: Diese Theorie leidet grundsätzlich daran, daß ihr die Mittel und auch die Muße des akademischen Elfenbeinturmes versperrt sind. Die Überlegenheit des akademischen Betriebes gegenüber der journalistischen Methode, liegt in der finanziellen und zeitlichen Möglichkeit, Grundlagenarbeit zu leisten welche das breitere Publikum nicht interessiert, auf der jedoch alle Wissenschaft beruht.
Die Folgen sind je nach Wissenschaftsgebiet unterschiedlich: In einigen wenigen Gebieten ersetzt der freie Markt die staatlichen Mittel. Bücher zum Zweiten Weltkrieg etwa, verkaufen sich gut. Dementsprechend ist es revisionistischen Historikern möglich, geschichtswissenschaftliche Quellenarbeit zu leisten. Dann gibt es Gebiete, in denen der geistreiche Einfall weit trägt und solche Grundlagenarbeit zu einem Gutteil überflüssig machen kann.
Die Sozialgeschichte aber, befindet sich am anderen Ende dieses Spektrums. Um irgendetwas Sinnvolles auf diesem Gebiet sagen zu können, bedarf es umfassender, über viele Jahre erworbener Kenntnisse.
Eine Abhandlung der Gesamtgeschichte des Eigentums, ob auf tausend Seiten, oder auf fünfundzwanzig, kann nur ein Professor mit einigen Jahrzehnten Forschungserfahrung verfassen. Es ist eines jener Projekte bei denen ein Endzwanziger an der schieren Masse des zu beherrschenden Materials scheitern muß. Um es offen zu sagen: Ich selbst würde mir ein Buch zu diesem Thema auch nicht zutrauen.
Wolters hat den Versuch dennoch gewagt. Das Ergebnis ist ein Entlanghangeln an zusammenrecherchierten Punkten, von Epoche zu Epoche. Bei dieser Arbeitsweise kommt nicht nur niemals ein einheitliches Gedankengebäude, oder ein klarer Fluß der Abhandlung zustande, sie ist auch sehr fehleranfällig. Durch sie kommen Perlen wie die folgende zustande: „Die Natur und die Fruchtbarkeit der Frau wurden gleichgesetzt – es entstand die Denkfigur der „Mutter Natur“. Es handelt sich dabei um ein weitverbreitetes Narrativ, das unter anderem mit der anatolischen Kybele begann, auf die griechische Demeter übertragen wurde und mit der Figur der Mutter Teresa im Katholizismus Weltgeltung bekam.“ (S. 21)
So etwas sollte einem Autor nicht passieren. Einem Lektor darf es nicht durchrutschen.
Weit gelungener ist der zweite Teil des Büchleins. Für eine Geistesgeschichte des Eigentums, die, nach einem kurzen Rückblick auf die Antike, im wesentlichen bei John Locke beginnt, funktioniert Wolters Arbeitsweise. Der Stoff, die Schriften der von ihm ausgewählten Denker, ist hier wesentlich umgrenzter.
Wolters versteht den Eigentumsdiskurs der Neuzeit als Debatte zwischen den Standpunkten Lockes und Rousseaus: Locke begründete das Eigentum naturrechtlich. Es existiert für ihn bereits vor der menschlichen Gemeinschaft im Naturzustand. Die Gemeinschaft wird ihm nicht zuletzt zum Schutz bereits bestehender Eigentumsrechte begründet.
Rousseau hingegen sah das Eigentum als eine Institution, welche erst durch die menschliche Vergemeinschaftung begründet wird und im Naturzustand nicht existiert.
Diese Überlegungen über das Eigentum in einem hypothetischen Naturzustand ziehen schwere Folgen für die Frage nach sich, ob und wie weit die Gemeinschaft in die Eigentumsrechte des Einzelnen eingreifen darf. Daß er die Dichotomie zwischen einer Ansicht, die das Eigentum als inhärentes Recht des Individuums auffasst und einer, die es als Ergebnis sozialer Konvention begreift herausarbeitet, ist der größte Gewinn aus Wolters kleiner Schrift.
Wolters stellt sich im Weiteren auf die Seite Rousseaus. Das letzte Drittel des Buches ist der Ausarbeitung dieser Position gewidmet. Nachdenkenswert ist, daß Wolters das Ideal der Gerechtigkeit als unzureichend erachtet, eben weil es auf einer schwammigen naturrechtlichen Grundlage beruhe und er stattdessen eine „gute und stabile Ordnung“ zum angemessenen Ziel gesellschaftlicher Gestaltung erklärt.
Was er aber als „gute und stabile Ordnung“ ansieht, bleibt unklar. Er stellt einige Überlegungen rechter Denker des 20. Jahrhunderts vor, von Sombart über Strasser, bis zu Klaus-Dieter Ludwig. Doch während es ihm im ersten Drittel an der Meisterschaft über das sozialgeschichtliche Material mangelt, so fehlt ihm für das letzte Drittel die ökonomische Theorie, die an dieser Stelle notwendig wäre, um die Bedeutung des Eigentums in der Wirtschaftsordnung herauszuarbeiten.
Trotz großem Aufwand und kluger Gedanken, die man dieser Schrift anmerkt, bleibt „Eigentum und Ordnung“ eine Warnung davor, daß nicht jedes Thema mit journalistischen Methoden angegangen werden kann. Für die rechte Intelligenz wird sich immer wieder die Frage stellen, ob man ein Thema mit den vorhandenen Mitteln behandeln soll, so gut es geht, oder ob man es auf die Zeit nach der Eroberung der Universitäten verschieben soll.
Wolters, Bruno (2023), Eigentum und Ordnung, Eine ideengeschichtliche Einordnung, Dresden.
ISBN: 978-3-948145-25-5