Christian Illner weilt seit einigen Monaten wieder unter den Lebenden. Daß heißt man kann sich jetzt wieder mit seinem Denken befassen, ohne daß die Kritik jemanden trifft, der nicht antworten kann.
(Bild erstellt mit Midjourney)
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Da will ich mir eines seiner Gedankenexperimente anschauen, das ich als „Illners Arzt“ bezeichnen möchte. Gründlich durchdacht führt es uns an die Wurzel dessen, was wir eigentlich unter Identität verstehen. Illners Arzt ist ein Facharzt für Geschlechtsumwandlungen. Er ist so brillant in dem was er tut, daß ihm tatsächlich eine perfekte Geschlechtsumwandlung gelingt. Er kann aus einem Mann eine Frau machen und aus einer Frau einen Mann, bis hinunter auf die molekulargenetische Ebene. Hinterher könnte niemand mehr den Unterschied feststellen, zwischen jemandem, der als Mann oder Frau geboren und jemandem, der von Illners Arzt erst dazu gemacht wurde.
Illner verwendete diese Denkfigur kürzlich wieder bei einem Vortrag auf dem Thing der Titanen, aber auch schon früher in seiner Vortragsreihe bei der Gegenuni. Und ich denke nicht, daß ich eine Indiskretion begehe, wenn ich sage, daß Illners Arzt in persönlichen Gesprächen mit ihm schon vor Jahren auftauchte. Man kann einen Gutteil seines Denkens anhand dieses Mediziners betrachten.
Der Sinn dieses Gedankenexperimentes soll zuerst einmal darin bestehen aufzuzeigen, daß der Verweis auf naturwissenschaftliche Definitionen von Männlichkeit und Weiblichkeit in der Genderdebatte nicht weiterführe. Deswegen nicht, weil eine solche Position nur solange haltbar sei, solange die technischen Mittel nicht ausreichen, um eine tatsächliche Geschlechtsumwandlung durchzuführen:
„Denn wenn wir uns darauf einschießen, daß weil ja so objektive Zugänge in unserer Welt und Natur unveränderlich seien, dann ziehen wir uns darauf zurück zu sagen: Gene sind nicht veränderbar und weil sie nicht veränderbar sind, brauchen wir ja gar nicht darüber reden, gesellschaftlich irgendwie in eine andere Richtung zu gehen, als die, aus der wir kommen. Aber eigentlich müsste man sagen, Gene sind noch nicht veränderbar. Also wir stellen uns ja immer ein Höchsthaltbarkeitsdatum auf, denn letztlich machen wir es dann von den technischen Möglichkeiten abhängig, ob so etwas wie Geschlecht nun veränderlich ist, oder nicht.“ (Min 9:27-10:15)
Was dabei zunächst ins Auge springt, ist der unter Technikkritikern weit verbreitete Glaube an die Allmacht der Technik. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis man einen Menschen „genwaschen“ kann und Rasse, wie Geschlecht dem Zugriff der technischen Machbarkeit ausgeliefert werden. Es lässt tief blicken, daß die Grenzen des technisch Machbaren hier so wenig in Betracht gezogen werden, wie nur bei irgendeinem posthumanistischen Guru des Silicon Valley. Doch geht es Illner um den Kern dessen, was rechtes Denken ausmachen soll. Oder besser: Nicht ausmachen soll.
Nicht ausmachen soll rechtes Denken nach Illner das Beharren auf der Objektivität. Seine Kritik nicht nur der Technik, sondern auch der Wissenschaft im rechten Denken stammt daher. Die Auffassung, gegen die Illner sich wendet, kann man in etwa folgendermaßen zusammenfassen:
Die Linken seien die Anhänger von Pipilangstrumpfweltanschaungen. „Ich mach mir die Welt, widde widde wie sie mir gefällt.“ Wenn die Wirklichkeit nicht ihrem subjektiven Moralempfinden entspräche, dann umso schlimmer für die Wirklichkeit. Einzelne linke Ideologeme folgten dann aus dieser Grundhaltung. Der Egalitarismus, die Leugnung der Biologie und die Überzeugung, daß jeder Mensch als das zu akzeptieren sei, als das er sich selbst identifiziert, seien die Folgen einer Haltung, der die objektive Wahrheit zweitrangig sei und sie hinter der subjektiven Gefühlslage zurückstehen ließe. Die Rechten verträten demgegenüber die Objektivität. „Facts don’t care about your feelings!“ Es ist also eine Auffassung von Rechts und Links, welche die Linken als traumtänzerische Forderer des Wünschbaren, die Rechten als harte Mahner des Wirklichen darstellt.
In einer Sache hat Illner hier vollkommen recht: Zumindest in der platten „Facts don’t care about your feelings!“ Variante, soll diese Darstellung zwar die Linken als Phantasten zeichnen, doch begibt sich die Rechte dabei freiwillig in die Rolle des Bösewichtes. Implizit wird der Linken dabei ein Monopol auf die Moral und auf das Recht gesellschaftliche Forderungen zu erheben zugesprochen. Der Rechten verbleibt lediglich eine Kontrollfunktion linken Übereifers. Diese Dynamik ist keine blasse Theorie, sondern beobachtbare Wirklichkeit. Sie beschreibt das Verhältnis zwischen Linken und Konservativen seit dem Zweiten Weltkrieg. Linke fordern und Konservative verzögern bestenfalls die Umsetzung dieser Forderungen und gestalten diese Umsetzung auf eine Weise, bei der die Gesellschaft nicht unmittelbar ins Chaos stürzt. Dies ist der Grund, weswegen Konservative seit Jahrzehnten zwar die meisten Wahlen gewinnen und dennoch die Gesellschaft immer weiter nach links rutscht.
Nun ist es aber so, daß echte Rechte, im Gegensatz zu Konservativen, die Ziele der Linken überhaupt nicht wollen. Argumentieren sie dann ihre eigenen Wünsche über den Topos der „harten Objektivität“, dann erscheinen sie als diejenigen, deren Glück auf den Erfordernissen der Not beruht:
„Ich musste daran denken, an genau diesen Versuch, aus der Not eine Tugend zu machen, bei der Erwähnung in einem anderen Vortrag, daß in Gefängnissen, die Ethnien sich automatisch segregieren und so zusammenkommen. Und das ist für uns Rechte dann oft ein Moment des Triumphes, wir zeigen dann auf Gefängnisse und sagen: „Ja, hier, wenn Not am Mann ist, wenn man nicht im akademischen Wolkenkuckucksheim sitzt, dann fällt einem plötzlich ein, was für einer Ethnie man angehört, denn dann zwingt einen die Not dazu, als Weißer zu den Weißen im Gefängnis zu gehen. Dann kann man eben nicht zu den Schwarzen kommen, denen zuwinken und sagen: „Alle Menschen sind Brüder.“ So, das klappt dann nicht, dann kriegt man erst einmal ein paar auf die Backen.“ Und daraus schließen Linke allerdings, aus solchen Argumenten, daß wir Rechten uns über diese Not, die dann zum Beispiel Ethnien nötigt, sich wieder als Ethnien zu bekennen, daß wir uns über diese Not freuen und daß wir zweierlei in der Welt wollen: Erstens Not und zweitens Konflikt. Denn wenn diese beiden Dinge vorliegen, dann haben wir Oberwasser und dann ist die Welt so, wie wir sie gerne hätten. Und die Linken sagen nun: „Ja aber warum will man denn Not und Konflikte in der Welt, wie wäre es stattdessen mit Freiheit und Frieden?“. Und die Linken fragen sich dann: „Warum? Warum? Ja Warum wollen die Rechten das nicht?“ Und als Antwort geben sie eben, ja die müssen irgendwie seelisch-geistig verkrüppelt worden sein.“ (12:59-14:36)
Ich fürchte nur, dies gehört zu den Überzeugungsproblemen, denen sich die Rechte frontal stellen muß: Rechte wollen kein Wolkenkuckucksheim, auch dann nicht, wenn es möglich wäre. Den ethischen Kern der Rechten kann man am besten mit einer anderen Denkfigur erklären, der Glücksmaschine. Die Glücksmaschine ist eine Kapsel, die den Insassen in einem Dauerkoma hält, dabei allerdings seine Hormone und Nerven so manipuliert, daß er beständig Glück empfindet. Ein Rechter ist jemand, der eine solche Glücksmaschine ablehnen würde. Ich bin der Überzeugung, daß in diesem Sinne viel mehr Menschen rechts sind, als die, die zur Zeit ihr Kreuz bei einer rechten Partei machen.
Doch kehren wir zu Illners Arzt zurück. Dieses Gedankenexperiment löst im Zuhörer zunächst folgendes aus: Die Aussage, daß der Arzt tatsächlich in der Lage ist aus einem Mann eine Frau und aus einer Frau einen Mann zu machen, wird als Prämisse gesetzt. Innerlich wehrt sich aber etwas gegen diese Vorstellung. Wir sind nicht bereit zu akzeptieren, daß man das Geschlecht einer Person austauschen kann. Die Gretchenfrage: „Würdest du jemanden heiraten, von dem du weißt daß er seine gegenwärtigen Geschlechtsmerkmale von Illners Arzt erhalten hat?“, beantworten wir mit „Nein!“ Das heißt wir sind nicht bereit eine Person, aufgrund einer solchen Prozedur als Angehörigen des Geschlechtes zu akzeptieren zu dem Illners Arzt ihn umoperiert und genetisch umprogrammiert haben soll.
Gleichzeitig bleibt aber die Aussage, daß Illners Arzt tatsächlich das Geschlecht einer Person ändern kann durch das Gedankenexperiment als apriorische Prämisse gesetzt. Aus dem Widerspruch zwischen dieser Prämisse und ihrer tiefsitzenden Ablehnung entspringt die Kraft dieser Denkfigur.
Illner löst diesen Widerspruch dahingehend auf, daß er der Wissenschaft abspricht, das Wesen der Geschlechtlichkeit erfassen zu können. Und nicht nur das der Geschlechtlichkeit, sondern schlichtweg das Wesen von allem Seienden.
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