Mancher Dichter und Denker versucht es noch abzustreiten, doch ist nicht mehr zu verkennen, daß rechtes Denken im englischsprachigen Raum, vor allem aber in den Vereinigten Staaten von Amerika einen außerordentliche Vorsprung gegenüber seinem kontinentaleuropäischen Gegenstück gewonnen hat.
(Erstellt mit Midjourney)
Dieser Vorsprung ist schon einige Zeit zu beobachten. In der Dezemberausgabe der Sezession 2016 schrieb ich in einem Text namens „Fünf Thesen zum ausbleibenden Ereignis“:
„Im Ergebnis hat diese Erfahrung drei Eigenschaften der amerikanischen Rechten hervorgebracht, die sie vor ihren europäischen Gegenstücken auszeichnen. Erstens eine umfassende Kritik des Konservatismus, wie sie sich am klarsten in Alex Kurtagics klassischem Essay ausdrückt (Warum Konservative immer verlieren) und heute mit »Cuckservative« einen Ausdruck von angemessener Vulgarität gefunden hat. Zweitens verfügt die amerikanische »AltRight« über einen Vorsprung in puncto Illusionsverlust. Sie ist zur Zeit das einzige politische Lager von einiger Bedeutung, in dem eine schonungslose Lageanalyse bereits vor dem fünften Bier einsetzt. Es ist kein Zufall, daß der schärfste Denker der alten Nouvelle Droite, Guillaume Faye, heute vielleicht mehr nach Amerika als nach Frankreich wirkt.
Drittens ist die moderne Humangenetik und Rassensoziologie zum größten Teil das Werk amerikanischer Wissenschaftler.“
Der Text entstand kurz vor der Wahl Donald Trumps, auf dem Höhepunkt der AltRight-Bewegung. AltRight, nennt sich heute niemand mehr. Ein zentral organisiertes Phänomen war sie nie gewesen, der Versuch das zu ändern scheiterte, nach dem bei der „Unite the Right“ Demonstration in Charlottesville, am 12. August 2017 ein Teilnehmer in seinem Auto von Gegendemonstranten an einer Straßenblockade angegriffen wurde, aufs Gaspedal trat und dabei eine Gegendemonstrantin tötete.
Mehr als alle Repression hat allerdings die Präsidentschaft Trump selbst die AltRight zerstört. Darüber werden wir noch etwas ausführlicher sprechen müssen, denn diese Erfahrung ist einer der wichtigsten Gründe für die geistige Überlegenheit der amerikanischen Rechten gegenüber ihren europäischen Gegenstücken. Die intellektuelle Rechte hat den Zerfall der AltRight und das kaleidoskopartige Zueinanderfließen und Außeinanderbrechen der verschiedenen Strömungen jedoch bestens überstanden.
Ihren Vorsprung als Theoretiker der Rechten konnten die Amerikaner in den sieben Jahren seit der Wahl Donald Trumps noch einmal deutlich ausbauen. Es muß an dieser Stelle einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden: Für einen Deutschen, der im Jahr 2023 im Internet zweisprachig unterwegs ist, ist der Qualitätsunterschied inzwischen nur noch beschämend. Man muß aber auch im anglophonen Internet unterwegs sein, um überhaupt etwas davon mitzubekommen. Die geistige Revolution, die hier seit einigen Jahren zu beobachten ist, ist die erste, die sich nicht vorrangig in Büchern ausdrückt, sondern in kurzen Online-Aufsätzen, wie diesem hier, zu großen Teilen aber in YouTube-Videos und Podcast, mit einer Theoriediskussion, die zu einem erheblichen Teil auf Twitter stattfindet. Viele Köpfe veröffentlichen auch, wie zu Gründungszeiten der Vereinigten Staaten verbreitet, unter Pseudonym. Man wird untersuchen müssen, wie sich diese Theoriebildung von einer durch Monographien namentlich bekannter Intellektueller geprägten unterscheidet, doch das ist nicht Gegenstand dieses Aufsatzes.
Wer aber in einer und einer viertel Stunde das Niveau erfahren will, auf dem die amerikanische Rechte dieser Tage denkt, dem kann ich in der Tat nichts besseres empfehlen, als den Podcast „How did the Taliban Win?“ eines Mannes, der unter dem Namen des 1867 verstorbenen mormonischen Generalmajors John C. Bennett publiziert. Im Parforceritt geht es von den Guerillanotaren der Taliban, ja so etwas gab es und diese Notare waren kriegsentscheidend, über lateinamerikanische Mafiosi zur Position der Vereinigten Staaten als dem Garanten der gegenwärtigen internationalen Rechtsordnung. Dabei entwickelt er fast nebenbei eine allgemeinen Theorie der Macht. Macht beschreibt Bennett als die Differenz zwischen der Sicherheit derjenigen, die sich einer Herrschaft fügen, aber auch die Protektion des Machthabers genießen und derjenigen, die sich gegen eine Herrschaft auflehnen, oder auch nur versuchen ohne den Schutz des Machthabers zu leben. Eine wesentliche Konsequenz dieses Denkens ist, daß Macht damit auch auf einer Unterscheidung zwischen Zugehörigen und Nichtzugehörigen der Protektions- und Patronagestruktur beruht.
Doch für weitere Ausführungen hierzu kann ich nur dringend Bennetts Podcast empfehlen. Die theoretische Überlegenheit der Amerikaner ist umso bemerkenswerter da gerade die deutsche Rechte in allen drei Punkten, die ich 2016 ausmachen konnte, aufgeholt hat. Die Abwendung vom CDU-Affinen Konservatismus, 2016 eine Randposition des Flügels und einiger Vorfeldintellektueller ohne ernsthaften Einfluß auf die Partei, ist 2023 die vorherrschende Meinung in der Führung der AfD. Man hat Illusionen verloren und wer immer noch glaubt, man bekäme vom BRD-Establishment Bonuspunkte für Wohlverhalten, gilt den Meisten heute als Traumtänzer. Schließlich gibt es zwar keinen deutschen Murray, Rushton, oder Dutton, doch sind die Humangenetik und Rassensoziologie im Jahr 2023 Teil des rechten Diskurses in Deutschland, wo sie 2016 ein anrüchiger Import waren, der vielen als materialistische Sünde wieder die deutsch Geistigkeit galt.
(Mir ist bewusst, daß weder Rushton noch Dutton, US-Amerikaner sind, bzw. waren. Sie sind aber Teil der US-dominierten Anglosphäre und nur aus dieser heraus verständlich. Ich werde deshalb hier nicht weiter differenzieren. Sorry, not sorry Britbongs.)
Seit 2016 hat sich qualitativ etwas wesentliches im Denken der amerikanischen Rechten verändert. 2016 beruhte die Überlegenheit der AltRight gegenüber europäischen Neurechten auf einer im Wortsinne radikaleren Haltung, die sich weniger von historischen Altlasten daran hindern ließ, die Dinge an der Wurzel zu packen. Die heutige Überlegenheit ist grundsätzlicher. Sie ist eine der Theorie selbst, die in der Anglosphäre heutzutage über deutlich feinere Deutungsmuster zum Verständnis derjenigen politischen Systeme verfügt, die wir als westliche Demokratien bezeichnen.
In einem Satz: Die amerikanische Rechte verfügt über deutlich bessere Theorien und Modelle zum Verständnis der politischen und gesellschaftlichen Systeme in denen wir alle leben, als die kontinentaleuropäische Rechte.
Diese westlichen, oder liberalen Demokratien stellen die politische Theorie vor eine beachtliche Herausforderung: Zu ihren Wesensmerkmalen gehört Herrschaftsverschleierung in geschichtlich einmaligem Ausmaß. Kein normaler Bürger weiß, wer ihn eigentlich worin regiert und wie irgendwelche Entscheidungen zustande kommen. Deshalb blühen in ihnen die Verschwörungstheorien. Nicht nur stehen den gewählten Volksvertretern Legionen von Ministerialbeamten gegenüber, darüber gibt es ein unüberschaubares Gewirr aus Einflußgruppen und Nichtregierungsorganisationen, Überschattet wird dies alles von einer Vielzahl internationaler Organisationen und Verträge deren tatsächliche Bedeutung und Gestaltungsmacht schwierig zu erfassen ist.
Die amerikanische Rechte befand sich in den letzten Jahren in einer einmalig günstigen Position hier anzusetzen. Zwei Dinge kamen zusammen:
Zum Ersten das Scheitern der Regierung Trump. Wichtiger als alle Fehler Trumps, war die Erfahrung mit der Art und Weise, auf die „das System“ ihn bekämpfte. Das ist eine Erfahrung, die den Europäern fast vollständig abgeht, am nächsten kam ihr noch der Sturz der türkisblauen Regierung in Österreich durch die Ibiza-Affäre, nur daß die FPÖ von Anfang an Juniorpartner mit begrenzten Einflußmöglichkeiten war. Unter Trump kam das Wort vom „Deep State“ auf, vom „tiefen Staat“. Dieses stammt ursprünglich aus dem Türkischen. Als Derin Devlet bezeichneten die Gegner des Kemalismus die nicht an einer Organisation festzumachenden, aber doch sehr wirksamen Machtstrukturen, der kemalistischen Türkei, bevor Erdogan diese Gruppen beseitigte oder kaltstellte.
In einem der hellsichtigsten Aufsätze des letzten Jahrzehnts „Schmitt, Sovereignty,& the Deep State“ veröffentlicht am 12. August 2014 auf Counter-Currents.com, definierte Greg Johnson den Tiefen Staat über den Souveränitätsbegriff Carl Schmitts:
„Der Begriff des Tiefen Staates überschneidet sich mit solchen Vorstellungen, wie der eines Establishments, einer permanenten Bürokratie, Geheimdiensten, rauchgefüllten Hinterzimmern, Lobbies, politischen „inneren Parteien“, NGO’s und Quangos [Quasi-autonomous national government organization, eine Organisation die von der Regierung geschaffen und finanziert wird, aber in der Rechtsform einer zivilgesellschaftlichen Vereinigung auftritt. JKP] und selbst Geheimgesellschaften, die alle die Politik beeinflussen und zwischen Interessengruppen verhandeln, was schlicht zum Alltag der Politik gehört.
Doch im schmittschen Sinne hat dies nichts mit Souveränität zu tun, diese erscheint, wenn der Alltag der Politik zerbricht. Und als in den Fällen der Türkei und Ägyptens, das politische System durch die Krise paralysiert war, schritt der um das Militär zentrierte tiefe Staat ein, um die säkulare, nationalistische politische Ordnung zu bewahren.“
Johnson stellte damals die schon prophetische Frage, wer eigentlich in westlichen Demokratien, in denen das Militär eine untergeordnete Rolle spielt, einen tiefen Staat bilden und in der politischen Krise die tatsächliche Souveränität ausüben könne.
Diese Frage wurde in den Jahren darauf durch das Experiment Donald Trump beantwortet, das der tiefe Staat Amerikas am 6. Januar 2020 beendete. Die Antwort war allerdings komplexer als jede Verflechtung aus Militär, Polizei und Wirtschaft im Mittleren Osten.
Bei ihrer Deutung kam die zweite Besonderheit der amerikanischen Rechten zu tragen:
Von der Intellektuellenbewegung der Paläokonservativen erbte sie eine, den meisten Kontinentaleuropäern schlecht oder gar nicht bekannte elitentheoretische Tradition. Diese geht in ihren Ursprüngen auf die italienischen Klassiker Gaetano Mosca, Vilfredo Pareto und den deutschen Wahlitaliener Robert Michels zurück. Mitte des 20. Jahrhunderts griff der damals gerade dem Trotzkismus abschwörende James Burnham diese Ideen auf und entwickelte sie zu dem weiter, was er die Theorie von der Herrschaft der Manager nannte.
Burnham kam vom Marxismus und fragte sich, warum die Kapitaleigentümer zu seiner Zeit nicht mehr die Herren der Wirtschaft waren, als die Marx sie schilderte. Seine Antwort war, daß in einer komplexen Gesellschaft die Klasse der Verwaltungsfachleute, der Manager, eine eigene Machtposition gegenüber den formellen Eigentümern gewinnt, obwohl sie marxistisch gedacht Lohnangestellte, also Arbeiter sind. Dieser Ansatz läßt sich vom Wirtschaftsbetrieb auf den politischen Betrieb übertragen. Der Unterschied zwischen einer Konzernbürokratie und einer staatlichen Behörde ist so groß nicht. Beide funktionieren nach ähnlichen Anreiz- und Leistungsprinzipien, weil in beiden eine große Anzahl an Verwaltungsfachleuten für Dinge verantwortlich sind, an deren Gedeihen sie selbst zunächst einmal kein persönliches Interesse haben.
Dazu kommt, daß die Verwaltungsfachleute eines bestimmten Fachgebietes, sei dieses Automobilbau, Rüstung, Umweltschutz, oder Antidiskriminierung, gemeinsam eine soziale Gruppe bilden, ob einer nun gerade im Staatsdienst, in der Privatwirtschaft oder bei einer NGO beschäftigt ist.
Man betrachte angesichts dieser Erkenntnis einmal den unsinnigen Streit innerhalb der deutschen Rechten zwischen Marktwirtschaftlern und Etatisten, von denen erstere einen Gründerjahrekapitalismus beschwören, der längst unmöglich ist und letztere einen preußischen Staat vor Augen haben, dessen Beamtenschaft und Steuersätze viel kleiner waren, als es heute der radikalste Libertäre zu fordern wagt.
Die Theorie von der Herrschaft der Manager, oder des Managerialismus hat sich zur Beschreibung westlicher Demokratien als außerordentlich fruchtbar erwiesen. Wer etwa heute den Blogger und Podcaster des Z-Blogs verfolgt, wird kaum einen Artikel oder Podcast finden, in dem das Wort „Managerialism“ fehlt. (Hier eine Podcast-Einführung in die Theorie des Managerialismus vom selben Autor.)
In Verbindung mit anderen Theorien der Elitensoziologie erlaubt die Theorie des Managerialismus zu klären, wer überhaupt diese Leute sind, die auf jeder Demonstration als „die Elite“ bezeichnet werden. Und warum sie die Elite sind.
Da ich wenigstens einen Deutschen hier lobenswert erwähnen möchte, sei hier auf Eugyppius verwiesen. Dieser Mann, der unter Pseudonym auf Englisch veröffentlicht und eine Zeit in den Vereinigten Staaten gelebt hat, kann sich den Verdienst zurechnen, dargelegt zu haben, wie die Maßnahmen der Coronazeit kontingent aus den Eigendynamiken nationaler und internationaler Gesundheitsbürokratien entstanden, sobald der Zero-Covid-Weg aber einmal eingeschlagen war, eine starke Eigendynamiken innerhalb von Elite und Verwaltung schufen.
Auf dem theoretischen Boden der Begriffe vom tiefem Staat und vom Managerialismus ist eine reiche Gedankenwelt aufgegangen. Schon lange vor Trump etwa prägte der 2005 verstorbene Sam Francis das Wort Anarchotyrannei, welches die Unterdrückungspraxis solcher managerialer Systeme beschreibt, den gesetzestreuen Bürger durch eine Unzahl an Vorschriften und Gesetzen ständig mit einem Bein im Gefängnis zu halten während kriminellen Elementen gegenüber beide Augen zugedrückt werden, wenn sie politisch genehm sind und jeder Polizist, Staatsanwalt und Richter weiß, daß ihre allzu eifrige Verfolgung der eigenen Karriere nicht förderlich ist.
Ist „politics downstream from culture“? Wie Andrew Breitbart einmal das Glaubensbekenntnis der Metapolitiker auf den Punkt brachte. Oder hat Academic Agent recht wenn er sagt: „Culture is downstream from law“? Diese Frage, deren Beantwortung jeder Strategiedebatte vorausgehen müsste, ist heute nicht möglich ohne ein Verständnis dessen, wie Antidiskriminierungspolitik in der Praxis des DIE (Diverstity Equity and Inclusion)-Apparates funktioniert. Auch über das Verhältnis zwischen Kapitalismus und Wokeismus lässt sich nur dann sinnvoll reden, wenn man die Veränderungen der Managementstrukturen innerhalb von Unternehmen im Blick hat, die durch Antidiskriminierungsgesetze, -vorschriften und das Risiko verklagt zu werden entstehen. Es ist eben weder so, als ob die braven Marktwirtschaftler in den Unternehmen nur mit den Hufen scharren endlich bei der Einstellung gegen Schwarze diskriminieren zu dürfen, noch so als ob der Kapitalismus aus irgendeiner Eigenlogik heraus die Welt zu uns einlädt. Die komplexe Wirklichkeit ist die, daß sich eine Unternehmenskultur verändert, wenn man aufgrund eines Gesetzes erst einmal Antidiskriminierungsbeauftragte in der Personalabteilung hat, die bestimmte, antidiskriminatorische Vorgaben zu erfüllen haben. Für die Antwort auf die Frage schließlich, warum Universitäten links sind, ist der Verwaltungsausbau wichtiger, als die Schriften von Foucault oder Derrida.
In Zeiten großer Unsicherheit und wachsender Unterdrückung sehen wir in den Vereinigten Staaten gerade eine unerwartete Blühte des politischen Denkens. Die immer noch im Essayismus Alain de Benoists festhängenden europäischen Neurechten haben davon erst einmal zu lernen.
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