Vor einiger Zeit schrieb mir ein Freund über die „Richard Spencer Pipeline“. Um es vorneweg zu sagen, es ist nicht ganz fair gegenüber dem Namensgeber der damaligen AltRight, ihn für das verantwortlich zu machen, was inzwischen mit diesem Wort gemeint ist.
(Bild erstellt mit Midjourney)
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Nicht ganz (!) fair. Eine gute Mitschuld daran trägt er schon, nur daß, so wie die AltRight weitgehend zu einer Mischung aus Memes und Griftern degenerierte, auch Spencers neuestes Bastardkind unter dem Niveau seines Vaters steht.
Dieses neue Bastardkind die „Richard Spencer Pipeline“ ist der Seitenwechsel von Rechtsintellektuellen auf die Gegenseite. Über die letzten zwei Jahrzehnte galt auf der intellektuellen Rechten ein beobachtbares Phänomen als Gütesiegel und Versprechen der Zukunft: Auch wenn die Rechte machtlos war (und es weitgehend immer noch ist), so konnte man doch nicht bestreiten, daß politische Konversionen fast immer nur in die eine Richtung abliefen: Von Links nach Rechts.
Es gabt Aussteiger. Leute, die dem Druck nicht standhielten. Man mußte aber schon zu Henning Eichberg zurückgehen, um eine Denker zu finden, der von der Rechten auf die Linke wechselte und für seine neue politische Richtung intellektuell produktiv war. Das Umgekehrte war gerade um 2010 herum die Ursprungsgeschichte eines großen Anteils rechter Publizisten, von Günter Maschke bis Manfred Kleine-Hartlage.
Seit einigen Jahren gibt es nun wirkliche Renegaten von Rechts, wobei die nicht wirklich nach Links gegangen sind, eher nach „globalelitaristisch“, wenn man diese Richtung einmal so nennen will. Was sie von der Linken scheidet ist, daß sie dieeinmal Rechts waren, niemals wieder an die Gleichheit von allem was Menschenantlitz trägt glauben können. Selbst dann nicht, wenn sie die Behauptung von der Gleichheit der Menschen inzwischen für eine gesellschaftlich notwendige Lüge halten. Was das anbelangt, ist Rechtssein offenbar tatsächlich für immer.
Tatsächlich ist die zumindest subjektive Wahrnehmung eines Mangels an Elitarismus der Grund, aus dem manche Rechte inzwischen globalistisch werden. Mit anderen Worten: Die treibende Kraft ist die Ansicht, daß in der rechten Szene zu viel Inkompetenz sei, daß dort zu viele Vollidioten, peinliche Gestalten und Versager herumschwirrten.
Das war jedenfalls die Begründung Spencers dafür, daß er im Präsidentschaftswahlkampf 2020 unironisch Biden unterstützte. Er habe nicht nur von Trumps Mangel an Ergebnissen, sondern vor allem von der Lächerlichkeit seiner Anhänger ein für allemal genug. Daß in der amerikanische Rechten gegen Ende der Präsidentschaft Trump Züge eines irrsinnigen Kultes aufgetreten waren, läßt sich schwer bestreiten. Es gab damals ernsthaft Prediger, die führ Trump in Zungen gesprochen haben.
Es gibt hier einen feinen, aber wichtigen Unterschied zwischen „auf der Siegerseite stehen wollen“ und Flucht aus Fremdscham.
Das erste ist ein Instinkt, der jedem möglich ist. Das zweite erfordert eine gewisse Intelligenz. Und Schamgefühl. Bei Spencers Rechtfertigungen für seinen Seitenwechsel muß ich immer an einen Bekannten denken, der auf die erste große Coronademonstration in Berlin ging und entsetzt berichtet: „Das war ein Zirkus. Ein Zirkus mit verschiedenen Zirkuswagen, wie beim Karneval. Da gab es den Wagen der fundamentalistischen Christen, dann den der Buddhisten und dann kam da noch der Vitamin-D Mann.“
Für diesen Bekannten war der Coronaprotest damit gestorben. Auch wenn er in der Folge kein Globalist geworden ist. Mit so etwas wollte er nicht assoziiert werden. Politisch kann eine solche Entscheidung dieselben Folgen haben, wie die üblichen Anfälle von Distanzeritis. Seelisch liegt ihr etwas gänzlich anderes zugrunde. Es geht nicht darum, daß die Leute, von denen man sich distanziert in den Medien als böse dargestellt werden. Es geht darum, daß man sie im persönlichen Kontakt als unfassbar dämlich erfahren hat.
Die Kernüberzeugung des globalelitistischen Renegatentums ist, daß Macht und Ohnmacht in den westlichen Staaten, wie in der globalen Weltordnung eine echte kognitive Hierarchie widerspiegeln. Rechte Ideen ziehen eben eher die geistig Beschränkten an. Die kognitive Elite sei liberal. Oder, wie Anatoly Karlin, auf den wir noch zu sprechen kommen werden, es formulierte:
„Der Grund dafür, daß „Chtulhu in die liberale (nicht linke) Richtung schwimmt, fällt in die Beobachtung zusammen, daß elitäres Humankapital, wenn alles andere gleich ist, es vorzieht, soziopolitische Ordnungen zu unterstützen, die die diskursiven Interaktionen maximieren – Redefreiheit, freie Marktwirtschaft, Freihandel – weil es die durch Liberalisierung entstehenden Skalenerträge als in seinem eigenen Interesse liegend ansieht, im Vertrauen auf seine eigenen Fähigkeiten auf dem Gipfel des menschlichen Ameisenhaufens zu bleiben, ohne auf Klassenprivilegien oder ethnorassische Partikularismen zurückgreifen zu müssen. Dies findet in der Beobachtung Ausdruck, daß radikale Redefreiheit, freie Märkte und freie Sexualität (z. B. LGBT Rechte) in den GSS Untersuchungen und anderen Umfragen sehr stark mit dem allgemeinen Intelligenzfaktor korrelieren.“
Daß dies spätestens seit dem zweiten Weltkrieg der Fall ist, läßt sich nicht abstreiten. Was den internationalen Vergleich anbelangt, so hat ein anderer Renegat, Richard Hanania das Jahr 2022 bereits zum Jahr des Fukuyama ausgerufen, in welchem alle angeblichen Alternativen zum liberalen Westen sich als haltlos erwiesen hätten. Rußland durch die Unfähigkeit auch nur die Ukraine einzunehmen, China durch seine westliche Regime an Hysterie und Regierungsversagen noch weit übertreffenden Covidmaßnahmen.
Hanania und Karlin sind die beiden herausragendsten und interessantesten rechten Renegaten. Gleichzeitig vertreten sie in dieser Kategorie unterschiedliche Pole. Das beginnt mit der Herkunft. Hanania ist Amerikaner, Karlin ein Russe, der in England und den Vereinigten Staaten aufgewachsen ist.
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