Schattenriss der Stabilisierungsdiktatur
„Ich will Diktator einer Bananenrepublik werden!“, mein Kunstlehrer war über diese Ansage reichlich schockiert. Heute müsste ich dafür nicht einmal mehr auswandern. Und ob von Links oder Rechts, ist das am Ende nicht egal?
(Bildmontage: Fragen zur Zeit; Donald Trump: Daniel Torok, Public domain, via Wikimedia Commons; Friedrich Merz: Michael Lucan, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons; Keir Starmer: Simon Dawson / No 10 Downing Street Hintergrund: Midjourney)
Wie man die letzte Frage beantwortet, das verrät viel darüber, was man eigentlich als die treibenden Kräfte der Geschichte ansieht: Ideen, Ideologien gar, oder doch funktionale Notwendigkeiten. Und wenn schon nicht Ideen, macht dann wenigstens der Staatsmann die Geschichte? Oder hat er, mit Spengler gesprochen, nur die Wahl dazwischen, das Notwendige zu tun oder nichts?
Die meisten Menschen beantworten diese Fragen nach persönlichem Geschmack. Ein, zwei Argumente dazu gelesen, die das dann begründen und fertig. Dabei ist das schon deshalb viel schwieriger, weil Ideen, sobald sie Meinungen, Trends, oder Dogmen, also gesellschaftliche Ideen geworden sind, von den Strukturen der Gesellschaft gar nicht mehr trennscharf geschieden werden können.
Tatsächlich aber ist kaum einer Frage entscheidender in unseren Tagen, als diese. Denn wir erleben rundherum in allen westlichen Demokratien das Zerbröseln der Normen. Das heißt: Es ist nicht mehr sicher welche Regeln in der Politik gelten. Gewiss, es gelten irgendwelche Regeln, aber keiner weiß mehr so genau welche und es können gestern andere sein, als heute und heute, andere als morgen. Wenn wir noch vor wenigen Jahren von unserem politischen System sprachen, dann jedem klar, was in etwa gemeint ist und vor allem, was von diesem System zu erwarten sei. Das was von diesem System zu erwarten war, mochte man ablehnen, aber man wusste dennoch, woran man war. Das ist jetzt nicht mehr so.
In Rumänien wurde die Präsidentschaftswahl annulliert, weil der unzweifelhafte Wahlsieger den Machthabern nicht ins Dekor passte. In Deutschland wird mit einem bereits abgewählten Bundestag die Verfassung geändert. Nachdem die Briten letzten Sommer nach der Ermordung dreier kleiner Mädchen durch einen ruandischstämmigen Einwanderer auf die Straße gingen, ließ Kier Starmer die Gefängnisse leeren, um Platz für politische Häftlinge zu schaffen.
Der Vizepräsident der Vereinigten Staaten, prangert diese Vorgänge an, aber die Regierung Trump selbst, mag man viele ihrer Maßnahmen auch feiern, betreibt die Vereinigung der politischen Macht auf die Exekutive. Und während Elon Musk Twitter für einige wieder geöffnet hat, stellt John Mearsheimer fest, daß die Unterdrückung der Redefreiheit in den Vereinigten Staaten in allem was den Staat Israel anbelangt, unter Trump bisher ungekannte Ausmaße angenommen hat. Trump versucht den Machtapperat seiner Gegner zu zerschlagen, aber dadurch wird keine Demokratie wiederhergestellt.
Um die liberale Demokratie als Staatsform steht es nicht gut. Als Staatsform, also als Verfahren des politischen Handelns und der politischen Auseinandersetzung. Wer immer an der Macht ist, unterminiert diese Verfahren und ihre Rechtlichen Grundlagen, sofern er sie nicht gleich beseitigt.
Die Allgemeinheit dieses Phänomens sieht man derzeit in Polen. Dort hat die konservative PiS Partei bekanntlich über Jahre eifrig an der Unabhängigkeit der Justiz gesägt, weil die Mehrheit der Richter von ihren Gegnern eingesetzt worden waren. Nun ist mit Donald Tusk wieder ein Liberaler an der Macht und er übertrifft die Konservativen noch in der Abwicklung der liberalen Demokratie. Es ist zu erwarten, daß wer immer auf Tusk folgt, die Schrauben noch fester anziehen wird.
Während die liberale Demokratie allerorts vom aussterben bedroht ist, blüht „unsere Demokratie“, wie nie zuvor. Und zwar auf allen Seiten der politischen Auseinandersetzungen. Ob Merz oder Macron, Tusk oder Trump: Wer die Macht hat, entdemokratisiert, während er so laut er kann seine Demokratie verteidigt oder wieder herstellt.
Samo Burja, ist Institutionensoziologe und Gründer der Denkfabrik Bismarck-Analysis, die für zahlreiche renommierte Kunden der internationalen Politik und Wirtschaft politische Grundlagenforschung betreibt. Deren Substack, der Bismarck Brief ist mit 120$ im Monat der teuerste mir bekannte Substack. Burja erklärte vor einigen Tagen kurz angebunden:
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