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Johannes Konstantin Poensgen
Mai 20, 2025
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Maximilian Krah und Paul Strieder haben eine berechtigte Frage aufgeworfen, doch wer den Nationalstaat aufgibt, liefert unsere Kinder einer Gesellschaft aus, in der sie die Schwächsten sein werden.


(Bildmontage: Fragen zur Zeit; Revolution 1848: See page for author, Public domain, via Wikimedia Commons; Reichsgründung 1871: Anton von Werner, Public domain, via Wikimedia Commons)



Politisch ist unser Volk im Staat organisiert, nicht in Familien, Clans oder Religionsgemeinschaften. An dieser simplen Tatsache müssen alle Versuche scheitern, Staatsvolk und ethnisches Volk zu trennen und letzteres in die Gesellschaft zurückzunehmen. Warum man das überhaupt versuchen sollte? Der Grund für derartige Überlegungen ist, daß die Übereinstimmung von ethnischem Volk und Staatsvolk vom Verfassungsschutz und den Gerichten als Dreh- und Angelpunkt eines möglichen Verbotsverfahrens gegen die AfD ausgemacht wurde. Der Kern dieser Argumentation findet sich auf Seite 114 der von der Jungen Freiheit veröffentlichten Version des Geheimberichtes zur Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch1:

„Der ethnische Volksbegriff beruht auf der Unterscheidung eines sich aus den deutschen Staatsangehörigen zusammensetzenden Staatsvolkes und eines ethnisch bestimmten Volkes, was dazu führt, daß nicht alle deutschen Staatsangehörigen auch als Angehörige des deutschen Volkes angesehen werden.“

Paul Strieder hat die in dieser Stelle aufgeführte „Sachlogik“2 als Kern der von ihm als Problem aufgefassten, Identifikation von ethnischem Volk und Staatsvolk im Nationalstaat bezeichnet. Seine Lösung liegt darin Staat und Volk zu trennen, wie dies seiner Auffassung nach vor der Moderne der Fall gewesen sei. Seiner und Maximilian Krahs Auffassung nach, könnte das ethnische deutsche Volk dann als bloß gesellschaftliches Phänomen existieren, ohne mit den Rechten nichtdeutscher Staatsbürger der Bundesrepublik in Konflikt zu geraten.

Wie immer wenn der Verfassungsschutz der AfD mit dem ethnischen Volksbegriff zu Leibe rückt, flammen Überlegungen auf ob man nicht irgendwie um diese Kernfrage unserer Zeit herumkäme. Ich habe das Grundproblem ja zur Genüge skizziert3: In dem Moment, in dem ein demokratischer Rechtsstaat Masseneinwanderung zulässt, wird liberale Einwanderungspolitik in die subjektiven Rechte von Einzelpersonen umgewandelt. Der einzelne Einwanderer erhält ein Recht auf Aufenthalt. Hat ihn gar irgendwann irgendwer unter irgendwelchen Umständen eingebürgert, wird man ihn innerhalb der Rechtsordnung kaum wieder los.

Nun sind zwei Dinge gleichzeitig war:

Erstens: Wer das akzeptiert, der drückt den Betreibern des Bevölkerungsaustausches eine Ratsche in die Hand, die diese immer weiter zuziehen werden und die man nur für begrenzte Zeit aufhalten, aber niemals lockern kann. Dabei zersetzt sich die nationale Grundlage des demokratischen Nationalstaates ohne die er nicht bestehen kann. Was dabei im besten Falle herauskäme wäre ein Staat als auf der Trägheit nackter Legalität beruhendes Herrschaftskonstrukt, das irgendwann in blutige Fetzen auseinanderfällt.

Zweitens: Der ethnische Volksbegriff ist nach herrschender Rechtsprechung ein Verbotsgrund, sollte er in irgendeiner Weise zu einer rechtlichen Besserstellung von Volksdeutschen gegenüber Staatsbürgern nichtdeutscher Volkszugehörigkeit führen. Damit hat Maximilian Krah schlichtweg recht.

Doch dabei ist entscheidend zu beachten, daß diese herrschende Rechtsauffassung den politischen Realitäten der realexistierenden multiethnischen Gesellschaft geschuldet ist, nicht der verfassungsrechtlichen Paragraphenreiterei. „The prophecies of what the courts will do in fact, and nothing more pretentious, are what I mean by the law“, sagte der amerikanische Verfassungsrichter Oliver Wendall Holmes jr., wobei man „the law“ hier sowohl mit Gesetz, als auch mit Rechtswissenschaft übersetzen kann. Im Sinne dieses Rechtsrealismus hat Jakob Maria Mierscheid die Aussichten eines Verbotsverfahrens gegen die AfD besser analysiert, als ich das könnte.4 Mir geht es im folgenden Abschnitt allein darum aufzuzeigen, wie wenig die Forderung nach einem Parteiverbot einer juristischen Logik und wie sehr sie der politischen Lage der derzeitigen Machthaber entspringt. Tatsächlich wäre es allein mit Blick auf das Grundgesetz schwierig selbst aus einer Forderung nach Ausbürgerung nach ethnischen Kriterien oder nach rückwirkender Aberkennung von Einbürgerungen einen Verbotsgrund abzuleiten. Ich rate allerdings niemandem, mit der folgenden Argumentation vor ein derzeitiges bundesrepublikanisches Gericht zu ziehen:

Das Parteienverbot ist im Grundgesetz ist Art. 21 geregelt. Der entscheidende Absatz ist Abs. 2 und er lautet:

„Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“

Die freiheitliche demokratische Grundordnung bezieht sich hierbei auf den vorangehenden Artikel 20. Auf „diese Ordnung“ des Absatzes 4 bei deren Beseitigung das Grundgesetz ein Widerstandsrecht vorsieht, was sich ja wohl kaum willkürlich auf irgendwelche Abschnitte des Grundgesetzes beziehen kann. Als Grund für ein Parteiverbot ist weder Diskriminierung, noch die Position zum Staatsbürgerschaftsrecht, noch auch nur die Menschenwürde angegeben. Es gibt andere Artikel des Grundgesetzes, die ethnische Diskriminierung und Ausbürgerung verbieten, aber diese werden weder im Art. 21 Abs. 2 erwähnt, noch fallen sie unter die Ewigkeitsgarantie, welche Art. 1 und Art. 20 durch den Art. 79 Abs. 3 erhalten.

Mit dem ständigen Bezug auf die Menschenwürde zeigen unsere Gegner übrigens, wie wackelig das Verlangen nach einem AfD-Verbot selbst dann wäre, wenn sie inhaltlich mit all ihren Behauptungen darüber, was die AfD denn verträte, recht hätten. Es wundert mich ehrlich gesagt, daß dies in den Analysen auf unserer Seite so selten beachtet wird. Der Verfassungsschutz und die ihm willfährige Rechtsprechung argumentieren ja folgendermaßen: Über den ethnischen Volksbegriff werde die Diskriminierung oder die Ausbürgerung nichtdeutsche Staatsbürger der Bundesrepublik gefordert und diese Diskriminierung oder Ausbürgerung greife die Betreffenden in ihrer Menschenwürde an, dies rechtfertige ein Verbot.

Diese Argumentation hat gleich drei holprige Sprünge: Der erste ist dabei noch der mit Abstand einfachste, nämlich, daß jemand der politischen Bezug auf den ethnischen Volksbegriff nimmt, damit eine Diskriminierung von Angehörigen anderer ethnischer Gruppen bezwecke. Das ist insofern einsichtig, als jede politische Organisation, die die Interessen ihrer Mitglieder vertritt, versucht für diese irgendwelche Rechte und Privilegien herauszuschlagen. Diese Rechte und Privilegien gehen zulasten anderer, die dann diskriminiert werden. Die derzeitige Bevorzugung aller möglichen Minderheiten funktioniert nach genau demselben Schema. Der zweite Sprung, daß Diskriminierung, also rechtliche Unterscheidung zwischen Menschen, eine Verletzung der Menschenwürde darstellt, ist absurd, weil jede Rechtsordnung zu jeder Zeit in irgendeiner Weise zwischen Menschen diskriminiert. Die Frage ist nur aufgrund welcher Kriterien und mit welchen Folgen. Und daß Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit keine Menschenwürde hätten, wird wohl keiner ernsthaft behaupten wollen. Wenn doch, dann müsste daraus ein Recht auf die deutsche Staatsbürgerschaft für die ganze Welt erfolgen.



Doch selbst wenn man auch das vorgäbe, dann ist das Ziel die Menschenwürde zu verletzen immer noch nicht in Art. 21 Abs. 2 als Verbotsgrund aufgeführt. Das wurde nicht einfach vergessen, sondern hat einen guten Grund: Menschenwürde ist ein sehr unbestimmter Begriff. Gerichte haben bei ihrer Interpretation einen sehr weiten Spielraum. Diese Unbestimmtheit kann durchaus sinnvoll sein, wenn man das Recht auf Menschenwürde in seiner im Grundgesetz vorgesehenen Funktion als ein persönliches Abwehrrecht gegen den Staat versteht. Dann ermöglicht der Art. 1 es Gerichten Urteile gegen schwerwiegende Formen staatlichen Machtmißbrauchs zu sprechen, wenn dieser materiell nicht gegen die inhaltlich bestimmten Grundrechtsartikel 2-19 verstößt. Art. 1 wirkt für alles was in den anderen Grundrechten entweder vergessen wurde, oder nicht im Detail geregelt werden kann. Deshalb findet er seine klassischen Anwendungsfelder einmal bei Fragen zur Unterbringung von Strafgefangenen, oder von Insassen psychiatrischer Anstalten. Wollte man diese ins Grundgesetz schreiben, dann bestünde es zu zwei Dritteln aus Dienstanweisungen für Gefängniswärter und Psychiater. Zum anderen bei Themen wie Gentherapie, die durch neue Technologie aufkommen und bei der Verfassung des Grundgesetzes nicht vorweggenommen werden konnten. Also überlässt man es dem Ermessen von Richtern im Einzelfall festzulegen, was hier als menschenwürdig gilt und was nicht. Macht man Art. 1 hingegen zur Grundlage des Verbots einer politischen Organisation, dann verändert man sein Wesen von einem Abwehrrecht des Einzelnen gegen den Staat zu einem Rechtsgrund für staatliche Repression und öffnet der Willkür Tür und Tor. Das ist ganz besonders der Fall, wenn man der Bastardisierung kantianischer Interpretation der Menschenwürde folgt, der sich die gegenwärtige Rechtsprechung und auch das Bundesamt für Verfassungsschutz befleißigen. Sie sehen die Menschenwürde durch die Verwendung des Menschen als Mittel, wie auch in der Unterordnung des Einzelnen unter ein Kollektiv verletzt5. Letzteres ist Grundlage jeder Politik, ersteres tut beständig jede Verwaltung. Jedes real existierende System verletzt nach diesen Vorgaben die Menschenwürde. Der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit erhält hier die Logik eines puritanischen Sittlichkeitsprozesses, bei dem es allein darauf ankommt, wer Ankläger und wer Angeklagter ist, weil nach den hier angelegten Maßstäben alle schuldig sind. Akzeptierte man die Verletzung der Menschenwürde als rechtmäßigen Grund für ein Parteienverbot, so könnte die AfD einmal an die Macht gekommen, übrigens die gesamte jetzige Riege ihrer Konkurrenten verbieten lassen und zwar allein aufgrund von deren Haltung zur Abtreibung, oder ihrem Versuch die Menschen zur Akzeptanz einer prophylaktischen Gentherapie zu nötigen. Aus beidem ließe sich mindestens mit derselben Plausibilität eine Verletzung der Menschenwürde konstruieren, wie aus ethnischer Diskriminierung.

Der Grund, weswegen unsere Gegner ständig auf die Menschenwürde Bezug nehmen ist der, daß Art. 1 ebenso wie Art. 20 der Ewigkeitsgarantie unterliegt und man ihn damit rhetorisch in die Nähe des Art. 20 bringen kann, auf den dann in Art. 21 Abs. 2 Bezug genommen wird, wenn von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung die Rede ist. Die gesamte Verbotsrhetorik arbeitet mit solchen Assoziationsketten über drei Ecken. Ein schon komisches Beispiel für diese unterirdische Argumentationsweise findet sich auf Seite 111 des Geheimberichtes:

„Art. 1 Abs. 1 GG postuliert die Würde des Menschen als obersten Wert der Verfassung. Zentral für den Begriff der Menschenwürde sind Subjektqualität eines jeden mit einem entsprechenden Achtungsanspruch ebenso wie die Egalität, die sich in der Rechtsgleichheit niederschlägt.

Unvereinbar mit der Menschenwürde sind mithin etwa völkisch-nationalistische, fremden- und minderheitenfeindliche, muslim- und islamfeindliche, sowie antisemitische Positionen.“

Ein unverdauter Brocken kantianischer Ethik (die Subjektqualität) wieder ausgebrochen mit einer unbestimmten Gleichheitsforderung, die ihrerseits eine Rechtsgleichheit begründen soll, von der nicht klar ist welche Rechtsgleichheit bei was hier gemeint ist, bei allem wohl in der begrenzten Vorstellung des Autors dieses Abschnittes. Dieses Elaborat, dessen logische Konsequenz die anarchosyndikalistische Kommune aus dem bekannten Monty Python Sketch wäre, mündet daraufhin in einer Aufzählung der vom Regime besonders geschützten, also nicht gleichberechtigten, sondern bevorrechteten Gruppen.

Dennoch rate ich wie gesagt niemandem, mit dieser Argumentation vor einem Gericht aufzutreten. Was ich damit aufzeigen will ist, daß die Bedeutung des ethnischen Volksbegriffes in der Debatte über ein mögliches Verbot der AfD eben nicht aus einer engstirnigen Lektüre des Grundgesetzes entspringt. Wer hier einen Gegensatz zwischen juristischer Legalität und politischer Zielsetzung aufmacht, der verfehlt das Thema. Ebenso sinnlos sind alle Versuche einen Advokatenkniff zur legalen Rettung des deutschen Volkes zu suchen. Denn die Kriminalisierung des Volksbegriffes entspringt eben keiner juristischen Logik. Sie ist aber auch nicht das Ergebnis bloßer ideologischer Willkür. Letzteren Fehler begehen alle, die den Bevölkerungsaustausch zum alleinigen Produkt einer linken Kulturhegemonie erklären. Diese These erscheint auf den ersten Blick plausibel, denn daß diese linke Kulturhegemonie besteht, das zeigt auch der oberflächlichste Blick in Medien, Universitäten und Kunstbetrieb. Und dort gibt es tatsächlich mehr als genug Linke, die wollen, daß die Deutschen zur Minderheit im eigenen Land werden. Aber jede unvoreingenommene Betrachtung auf die Geschichte der Migration zeigt, daß der Bevölkerungsaustausch als Ziel nie in der Mitte des Overtonfensters war. Daß ein großer Austausch stattfinde, wird regelmäßig geleugnet. Tatsächlich ist er das Produkt des oben erwähnten Ratscheneffekts, daß es nun einmal einfacher ist Menschen reinzuholen, als sie wieder auszuschaffen, weil jeder einzelne Einwanderer subjektive Rechtstitel auf seinen Aufenthalt erhält, die man ihm vor einer Ausschaffung wieder entziehen müsste. Angesichts des massiven Wohlstandsgefälles zwischen Deutschland und dem größten Teil des Rests der Welt hätte sich ein Bevölkerungsaustausch deshalb nur mit einer extrem restriktiven Einwanderungspolitik verhindern lassen, wie Japan sie lange Zeit betrieben hat. Stattdessen hatten wir fünf Jahrzehnte des Durchwurschtelns auf Sicht. Mal wurde die Einwanderung begrenzt, wie im Asylkompromiss von 1993, dann wieder die Grenze aufgerissen, wie 2015. Aber die Entwicklung ging nur in eine Richtung, wenn auch mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

Dieses Durchwurschteln hat die derzeitigen Realitäten der multiethnischen Gesellschaft geschaffen. Da die multiethnische Gesellschaft jetzt nun einmal da ist, muß jede Regierung in Deutschland sie irgendwie managen.

Remigration wäre aufwändig und mit vielen Konflikten behaftet. Desshalb haben sich die Regierungen des derzeitigen Parteienkartells für eine Vorgehensweise entschieden, die in der Geschichte von Vielvölkerstaaten keineswegs neu ist. Wenn ein Vielvölkerstaat für das den Staat tragende Kernvolk selbst zu einer Belastung wird, dann wird der Nationalismus dieses Kernvolkes die größte Gefahr für sein Fortbestehen. Und mit ihm für alle Posten und Pfründe, die an diesem Staat hängen. Aus diesem Grund hat auch das späte Habsburgerreich keinen Nationalismus so entschieden verfolgt, wie den deutschen. Denn mit den Nationalismen der anderen Völker konnte Wien sich arrangieren, aber wenn die Deutschösterreicher keine Lust mehr hatten das System zu tragen, dann drohte der Kollaps. Deshalb kann Putin sich mit Tschetschenen arrangieren, aber lässt russische Nationalisten, die gegen die Überfremdung Moskaus und Petersburgs mit Kaukasusvölkern aufstehen, ins Gefängnis sperren. Für die heutige Bundesrepublik gilt diese Logik noch in viel stärkerem Ausmaß. Denn entgegen anderslautendem Alarmismus liberaler Islamkritiker stehen wir nicht kurz vor der Errichtung eines Kalifats. Tatsächlich befindet sich keine der in die Bundesrepublik eingewanderten Volksgruppen auch nur in der Nähe der Zahlenstärke, die notwendig wäre, um den Staat zu stürzen oder zu übernehmen. Was sie inzwischen oft genug können, ist in lokalen Räumen die polizeiliche Ordnungsfunktion des Staates zu überlasten. Räume in denen der Staat nicht in der Lage ist das „policing“ auszuüben, um den englischen Ausdruck zu verwenden. Der deutschen Sprache fehlt interessanterweise ein Verb für die polizeiliche Ausübung der Staatsgewalt. Policing ist aber nicht einfach Machtdurchsetzung mittels Polizei, sondern beinhaltetet auch die Durchsetzung von bestimmter Ordnung und selbst von politischen Zielsetzungen, von einer „policy“ eben, einem Wort das ebenfalls ins Deutsche völlig unübersetzbar ist.

Erst kürzlich erzählte mir ein Dortmunder, wie einem Freund von ihm das Fahrrad gestohlen wurde, aber durch einen Sender in der Dortmunder Nordstadt ausfindig gemacht werden konnte. Die Polizei erklärte ihm: „Da gehen wir nicht hin.“ Diese Zersetzung der Policingfähigkeit kann politischem Einfluß geschuldet sein, wenn örtliche Politiker auf die Unterstützung der Anführer ethnischer Gruppen angewiesen sind. Das drastischste Beispiele in Europa dürfte die Einbindung der spezifisch pakistanischen Form der Klientelpolitik, des Baraderi-, oder Beriderisystems6, in die englische Lokalpolitik, gerade der Labourpartei sein. Daß aus pakistanischen Gemeinschaften in England seit nunmehr Jahrzehnten Grooming Gangs hervorgehen unter weitgehender Toleranz durch lokale britische Politiker, die auf die Blockstimmen der Clanführer angewiesen sind, ist kein Zufall.



Aber meistens scheitert das Policing gar nicht an politischer Einflußnahme von Neubürgern, sondern an den Friktionen, die Bevölkerungen mit niedrigem Zeithorizont und hoher Impulsivität mit sich bringen. Auch ein Polizist wird nicht wieder lebendig, wenn derjenige, der ihm ein Messer in den Bauch gerammt hat, verurteilt wird. Also geht er da nicht hin, wo die Wahrscheinlichkeit aus nichtigem Anlaß abgestochen zu werden hoch ist. Aber IQ 70 Messermänner mögen eine Bedrohung für die Bürger und Polizisten sein, sie sind es gewiss nicht für die staatstragenden Eliten. Der lokale Kontrollverlust ist geographisch viel zu verstreut, als das er zu separatistischen Bewegungen führen könnte. Es gibt in jeder Großstadt die entsprechenden Viertel. Die Türken oder Araber in Deutschland sind aber keine Tschetschenen oder Kurden, die über ein geschlossenes Siedlungsgebiet verfügen, daß sie zu einem eigenen Staat erklären könnten. Auch politische Organisation einzelner Migrantengruppen ist etwas, was sich aus Sicht des Systems managen lässt. Wo diese Organisation über die lokale Ebene hinausreicht, bleibt einzelnen Migrantengruppen mangels Zahl keine Wahl, als zu Klientelgruppen der etablierten Parteien zu werden. Und wir reden eben immer nur über einzelne Migrantengruppen. Alle Migranten zusammen hätten zwar bereits jetzt die Zahlenstärke um den Staat zu stürzen, aber für eine politische, geschweige denn revolutionäre Organisation sind sie untereinander viel zu unterschiedlich. Es ist freilich absehbar, daß sich das in den kommenden Jahrzehnten ändern wird. Genauso wie die heutige Lage zur Zeit Enoch Powells absehbar war. Aber so wie der große Austausch außerhalb weniger Unterschichtenviertel bis weit in die Neunziger hinein kein fühlbarer Bestandteil des täglichen Lebens war, so spielt die Systemdestabilisierung durch die Zuwanderer und ihrer Nachfahren heute noch keine Rolle. Die heutigen Entscheidungsträger bestimmen ihre Politik nicht nach der Demographie in zehn Jahren. Ansonsten wäre die Debatte über das Rentensystem schon eine ganz andere. Sie bestimmen ihre Politik erst recht nicht nach der Demographie in vierzig Jahren. Sie fahren auf Sicht und hangeln sich seit zwei Jahrzehnten von Krise zu Krise. Die Systemgefahr, die Gefahr für das, was sie als „unsere Demokratie“ eigentlich als „ihre Demokratie“ bezeichnen, liegt heute objektiv betrachtet darin, daß die Deutschen sich ihrer ethnischen Interessen bewusst werden, diese Zustände nicht mehr mittragen wollen und sich als Volksdeutsche zu diesem Ziel organisieren. Es besteht also ein objektiver und unüberbrückbarer Interessengegensatz zwischen deutschem Volksgruppeninteresse und Herrschaftsinteresse bundesrepublikanischer Eliten.

Dies ist für die bundesrepublikanischen Eliten selbst ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite gibt das Funktionsinteresse des bestehenden Systems gemeinsam mit der geschaffenen demographischen Lage ihnen eine Legitimation zur Kriminalisierung ihrer politischen Gegner in die Hand. Auf der anderen Seite werden sie dadurch selbst in die abstruse Position gezwungen, das Kernvolk des von ihnen regierten Staates als solches kriminalisieren zu müssen. Das Verfassungsschutzgutachten ist die bisherige Krönung des inneren Widerspruchs in den sich das System durch die Einwanderung manövriert hat: Nach der Veröffentlichung war von einem Lachachten die Rede. Da das Gutachten sich auf öffentlich zugängliche Quellen stützt, war der Quellenschutz als Grund für die Geheimhaltung offenkundig nur vorgeschoben. Offenbar damit die Öffentlichkeit nicht erfährt, auf was man sich da beruft. Das Problem des Verfassungsschutzes und seiner politischen Auftraggeber besteht aber nicht darin, daß das Gutachten lächerlich ist, sondern darin, daß die Lächerlichkeit des Gutachtens konsequente Folge ihrer Position ist. Zwecks Verwaltung der multiethnischen Gesellschaft muß das deutsche Volk abgeschafft und die bloße Erwähnung seiner Existenz kriminalisiert werden, weil der Anspruch dieses deutschen Volkes auf seine Heimat mit der multiethnischen Gesellschaft kollidiert. Damit sind sie aber in einer noch schwierigeren Situation, als diejenigen, die Deutschland als Land der Deutschen erhalten wollen. Letzteres ist prinzipiell jedenfalls möglich. Aber kein Staat kann sein Kernvolk abschaffen, jedenfalls nicht per Dekret. Die Bundesrepublik ist darüber hinaus nicht irgendein Staat, sondern ein demokratischer Nationalstaat. Als solcher ist sie konzipiert, wobei demokratisch das Adjektiv, Nationalstaat das Substantiv ist. Die multiethnische Gesellschaft mit ihrem juristischen und ideologischen Überbau befindet sich nicht nur auf Konfrontationskurs mit der ethnischen Wirklichkeit des deutschen Volkes, das dieser Ideologie nach nicht existieren dürfte und der multiethnischen Verwaltungslogik der bundesrepublikanischen Eliten im Wege steht, sondern auch mit der Struktur des im Grundgesetz verfassten Staates, dessen Institutionen für die multiethnische Gesellschaft gar nicht ausgelegt sind. Freilich: Wer in diesem Zusammenstoß als Oppositioneller der willkürlichen Anwendung staatlichen Gewaltmitteln ausgeliefert ist, der befindet sich in höchster Gefahr.

Maximilian Krah und Paul Strieder wollen dieser politischen wie juristischen Direktkonfrontation dadurch ausweichen, daß sie die Bundesrepublik Deutschland offen als Vielvölkerstaat anerkennen, dabei aber gleichzeitig eine Trennung aus Staatsvolk und ethnischem Volk einfordern. Dadurch könnte in einem ethnisch neutralen Staat ein deutsches Volk neben anderen Völkern mit Angehörigen deutscher Staatsangehörigkeit existieren. Auch der, der grundsätzlich nicht bereit ist das Recht unseres Volkes an unserem Vaterland auf diese Weise preiszugeben, wäre schlecht beraten solche Überlegungen einfach ignorieren. Wie gesagt besteht für eine Regierung die Notwendigkeit die real vorhandene multiethnische Gesellschaft zu verwalten. Dies galt bisher auch für alle Regierungen, die aus Protest gegen die Masseneinwanderung ins Amt gewählt wurden. Keine von ihnen konnte bisher einen klaren Schnitt machen, der sie von dieser Notwendigkeit entbunden hätte. Deshalb ist es gut möglich, daß eine zukünftige Rechtsregierung es einmal mit dem Ansatz von Krah und Strieder versucht, ob das Erfolg haben kann oder nicht.

Eine gute Grundregel zum Umgang mit politischen Ideen lautet, daß man zuerst fragen soll, gegen wen sie gerichtet sind. In unserem Falle richten sich Krah und Strieder konkret gegen die Remigrationskonzeption Martin Sellners,7 kurz zusammengefasst also gegen eine schrittweisen Rückabwicklung des Bevölkerungsaustausches. Krah hat seine Kritik folgendermaßen zusammengefaßt:

„Das Konzept von Sellner ist leider unausgegoren, in sich widersprüchlich, basiert auf nicht gegebenen Voraussetzungen, blendet Hindernisse aus und liefert den Vorwand für massive Repression. Es ist daher zum Scheitern verurteilt, bindet aber wertvolle Kräfte, die sich einstweilen blenden lassen. Wie man die deutsche Ethnie tatsächlich erhalten kann, hat Paul Strieder erläutert: als Ethnos, nicht als Demos. Das berücksichtigt zudem die Rechtslage und hält dem deutschen Staat, worauf Kisoudis hinwies, die Potentiale der aufziehenden neuen Großraumordnung offen.“8

Daß Sellner die Wirkmächtigkeit metapolitischer Mittel deutlich überschätzt, das habe ich selbst dargelegt9. Doch der praktische Kern dieser Kritik ist ein anderer. Er besteht in dem Vorwurf daß die Forderung nach Remigration staatliche Repression legitimieren würde, weil in ihm die Unterscheidung zwischen deutschen Staatsbürgern und nichtdeutschen Staatsbürgern gemacht und letztere zur Ausreise bewegt werden sollen. Das ist insofern natürlich richtig, als der Staat den ethnischen Volksbegriff kriminalisiert. Die Frage wäre, mit welchem Kniff oder Trick dies umgangen werden soll, mit welcher Erfolgsaussicht und zu welchem Preis.

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