Verfestigung der Blöcke
Der Sturz Assads bedeutet für uns vor allem eines und das sind nicht notwendig neue Flüchtlinge. Selbst wenn, viel schlimmer ist, daß sich die weltpolitischen Blöcke verfestigen. Multikultischland droht hinter einem Eisernen Regenbogen zu versinken.
(Bild: Midjourney)
Es scheint eine psychologische Sperre dagegen zu geben, den Krieg in der Ukraine und die Kriege (es sind ja mehrere) im Mittleren Osten, soweit voneinander zu trennen, daß man sich die Möglichkeit eingesteht, daß das eine der beiden weltpolitischen Lager unserer Zeit in einem, das andere im anderen Falle gewinnt. Die Hirne der meisten Menschen scheinen nur eine Siegererzählung zu vertragen. Doch während die Ukrainer im russischen Artilleriefeuer verblutet sind, erging es Hamas und Hisbollah unter der erdrückenden israelischen Überlegenheit kaum besser. Tatsächlich konnte man aber von genau denselben Leuten, die die Hoffnungslosigkeit der ukrainischen Sache frühzeitig erkannten, das letzte Jahr über genau dieselben schwachsinnigen Parolen hören, die wir uns die letzten drei Jahre aus der Mainstreampresse über die Ukraine anhören mussten:
„Die Israelis haben hohe Verluste, nun gut, vielleicht nicht an Toten, aber an Verwundeten.“
„Den Israelis wird die Munition ausgehen.“
„Israel kommt doch nicht voran. Sie erobern kaum Territorium.“
„Die israelische Wirtschaft ist in der Krise.“
Und wenn alles nichts hilft: „Die Regierung Netanjahu wird bald stürzen.“
Letzteres ist besonders lustig, weil Netanjahu, genauso wie Putin, nach den politischen Verhältnissen seines Landes ein Moderater ist und im Falle seines Sturzes, der Nachfolger wohl härter wäre, als er. Tatsächlich hat es wohl nur selten eine Fall gegeben, in dem sich zwei Situationen in der Weltpolitik so gespiegelt haben, wie unter allen oberflächlichen Unterschieden der Ukraine- und der Gazakrieg.
Beide Kriege sind von einer einfachen strategischen Tatsache bestimmt: Eine Seite verfügt über eine gewaltige Feuerüberlegenheit und kann auf der anderen damit herumhämmern. Die Verlustverhältnisse sehen dann entsprechend einseitig aus. Diejenigen, die aus den Kriegen in Afghanistan und dem Irak die hohle Phrase wiederholen gelernt haben, daß es keine militärischen Lösungen gebe, sehen sich hier wie dort mit der harten Wahrheit konfrontiert: Es gibt immer eine militärische Lösung, es ist nur die Frage, ob man bereit ist genügend Menschen zu töten. Der Westen war, was immer man sonst sagen mag, nicht bereit das afghanische oder irakische Volk auszurotten, um dort die Demokratie zu verbreiten. Doch Putin wie Netanjahu kämpfen aus Staatsraison, nicht für ein ideologisches Spielprojekt. Dementsprechend robuster sind hier die Mägen.
Daß ich den Sturz Baschar al-Assads und seiner Regierung in Syrien erst in den Zusammenhang israelischer Siege einbetten musste, hat seinen Grund: Aus unserer Sicht, wenn wir uns fragen was das für Deutschland bedeutet, dann müssen wir ihn im Rahmen der israelischen Siege über Hamas und Hisbollah betrachten. Denn diese krempeln den ganzen Mittleren Osten um. Noch vor einem Jahr sah es so aus, als würden die Vereinigten Staaten ihren Einfluß im mittleren Osten sehr weitgehend verlieren. Die Russen hatten Syrien stabilisiert, China die Annäherung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien ausgehandelt. Es schien darauf hinauszulaufen, daß den Vereinigten Staaten als regionalem Verbündeten nur ihr greatest ally bleiben würde, der dummerweise nur über ein bisschen Gas und gar kein Öl verfügt. Jetzt aber haben die Russen mit Syrien ihr größtes Faustpfand verloren um Einfluß auf die Region zu nehmen, während allen arabischen Staaten klar geworden ist, daß sie sich auf irgendeine Weise mit Israel arrangieren werden müssen. Die Türkei, die die letzten Jahre eine Schaukelpolitik zwischen NATO und BRICS gefahren hat, hat sich mit der syrischen Offensive klar ins NATO-Lager gesetzt. Das alles wird nicht ausreichen, den mittleren Osten wieder zu einer amerikanischen Domäne zu machen, dafür ist China als sowohl als Abnehmer von Rohstoffen, wie als Liferant von Industriegütern viel zu wichtig, aber es wird die Energieversorgung Europas aus dem Mittleren Osten deutlich vereinfachen.
Für eine souveräne deutsche Regierung wäre der Sturz Assads deshalb tatsächlich zum feiern, weil er die Abhängigkeit gegenüber Rußland reduziert. Man hat es heute fast vergessen, aber eines der wichtigen Momente, die zur Unterstützung der syrischen Rebellen durch den Westen führte, war die Weigerung Assads einem Pipelineprojekt durch Syrien zuzustimmen, welches Europa mit Gas aus dem Golf beliefern sollte. Die syrische Regierung, die schon damals von russischen Garantien lebte, lehnte ab.
Im Jahr 2022 stammten 25 Prozent des Erdöls und 35 Prozent des Erdgases, die in der Europäischen Union verbraucht wurden, aus Rußland. Die einzige Weltregion, die das zu einigermaßen erträglichen Preisen kompensieren könnte, ist der Mittlere Osten. Unter den gegenwärtigen Umständen wird dies die europäischen Staaten aber nur fester an die Amerikaner binden. Ein russisch-chinesisch dominierter Mittlerer Osten hätte in den europäischen Ländern eine Umorientierung weg von der transatlantischen Allianz erzwingen können. Die Wahl, entweder ihre Außenpolitik zu überdenken, oder aber ihren Bürgern zu erklären, warum der Strom weg ist, hätte auf die transatlantisch ausgerichteten Eliten den notwendigen Druck ausüben können. Auch das wäre keine multipolare Welt gewesen, sondern eine bipolare mit China und den USA als den beiden Polen. Aber die Polarisierung selbst wäre deutlich weniger stark ausgeprägt gewesen. Einfach deshalb, weil die Europäer sich das gar nicht leisten könnten. Mit dem Sturz Assads ist aber die Option einer reinen Westbindung wieder ernsthaft auf dem Tisch und die Eliten aller westlichen Länder werden sich für diese Option entscheiden.
Damit geraten wir auch innenpolitisch wieder in eine stärkere Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten. Man darf sich diese Abhängigkeit nicht einfach als eine Form von Weisungsgebundenheit aus Washington vorstellen. Sowas gibt es auch, aber das ist nicht das wesentliche.
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