Allianzen oder Aufkauf?
Die Rechte ist eine windschiefe, verschuldete Bruchbude auf einem Grundstück dessen Wert gestiegen ist. Da tummeln sich die hoffnungsfrohen Käufer.
(Bildmontage: Fragen zur Zeit; Maximilian Krah: Marcus Popillius, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons; Elon Musk: U.S. Air Force / Trevor Cokley, Public domain, via Wikimedia Commons; Julian Reichelt: © Superbass / CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons; Hintergrund Midjourney)
Diese Feststellung hat einen guten und einen schlechten Teil. Auf der Habenseite steht nun, am Ende des Jahres 2024, daß der politische Boden der Rechten massiv im Wert gestiegen ist. Das ist eine Metapher, die gut passt, die man aber erklären muß: In allen westlichen Ländern wird der gewaltige politische Scherbenhaufen sichtbar. Unmittelbar kann jeder sehen, daß die Wirtschaft kriselt und die Inflation an der Supermarktkasse deutlich über den offiziellen Angaben liegt. Wer auch nur einigermaßen am Zeitgeschehen jenseits seines persönlichen Alltags interessiert ist, der kann wissen, daß das Rentensystem nicht zu halten ist. Die Massenmigration ist ein Alltagsphänomen geworden, ihre Belastungen sind längst nicht mehr auf Problemviertel beschränkt über die jeder Bürger der Mittelschicht die Nase rümpft.
Die dafür verantwortliche Politik trägt in den Köpfen der Menschen die Aufschrift „Links“. Ob das zurecht, oder zu unrecht so ist, das spielt hier erst einmal keine Rolle. In Deutschland kam die meiste dieser linken Politik bekanntlich von der Union. Tatsächlich ist die Zuschreibung, der Massenmigration oder selbst des Gender-Mainstreamings an eine „Links“ bezeichneten politischen Kraft, eine der Verkürzungen, die in Zukunft noch sehr gefährlich werden kann, weil sie die Konsequenz dieser Politik im Konsens von 1945 übersieht.
Man kann alle möglichen Einwände gegen das nun gegen Links polternde Volk haben, selbst wenn es sich dabei um höhere Einsicht handelt, ändert das nicht an den Tatsachen. Weil die sichtbaren Folgen der gescheiterten Politik die Aufschrift „Links“ tragen bewegt sich der Protest nach Rechts. Das, diese Bezeichnung, als Eigen-, wie Fremdzuschreibung ist das politische Grundstück der Rechten. Es war über Jahrzehnte so verrufen, daß selbst heute noch genügend Politiker, die aktiv die rechte Welle reiten, davor zurückscheuen, sich selbst als Rechts zu bezeichnen. Es ist aber kein Zufall, daß einer der klügsten, aber leider auch gefährlichsten Köpfe im politischen Deutschland den Wert des rechten Grundstücks vollends begriffen hat: Julian Reichelt, dessen Mantra „Mehrheit Mitte-Rechts und Rechts der Mitte“ lautet und dessen NIUS-Projekt der derzeit bestorganisierteste Versuch in Deutschland ist, hier rechtzeitig politisches Grundeigentum zu erwerben.
Auf der Sollseite steht, daß diejenigen Kräfte, die in erster Linie am Erhalt unseres Volkes und nicht an dem einer westlichen Wertegemeinschaft, eines Wirtschaftsstandorts Deutschland, oder dem des Staates Israels interessiert sind, und die ich der Einfachheit halber im Folgenden als die eigentliche Rechte, oder nur die Rechte bezeichnen werde, solchen Aufkauf- und Übernahmeaktionen wenig entgegenzusetzen haben.
Die Rechten, die schon rechts waren bevor es cool wurde, stehen jetzt vor folgender Situation: Weil der Wert des politischen Grundstückes auf dem sie sitzen gestiegen ist, stehen sie auf einmal Akteuren und Strukturen gegenüber, die ihnen an wirtschaftlichem, wie politischem Kapital um Größenordnungen überlegen sind und die nun selbst diesen Platz für sich beanspruchen. In der Wirtschaft ist das ein bekanntes Phänomen: Wenn die Nachfrage in einer bestimmten Branche plötzlich explodiert, dann führt das oft nicht zum Wachstum, sondern zum Bankrott der bisherigen Unternehmen in dieser Branche. Warum? Einfach deshalb, weil die Branche nun auch für deutlich größere Unternehmen interessant geworden ist, mit deren tiefen Taschen die bisherigen Produzenten nicht konkurrieren können. Die beste Option, die ihnen oft bleibt, besteht darin, ihr Geschäft rechtzeitig an einen großen Investor zu verkaufen, bevor eben dieser Investor sie im Preiskampf zerlegt.
Ich hatte bereits Julian Reichelt und NIUS erwähnt. Im Oktober habe ich mich sehr entschieden gegen Julian Reichelt positioniert, nachdem er den Ausschluß Björn Höckes aus der AfD und einen vollständig zionistischen Kurs als „eiserner Verbündeter Israels“ gefordert hatte, wenn diese Bedingungen erfüllt seien, dann könne man endlich die ersehnte Koalition mit der CDU bilden. Eine Reaktion, die ich darauf bekam, war die, daß Reichelts Israelfetisch zwar absonderlich sei, aber NIUS doch gute Arbeit mache. Und das stimmt. Und das ist das Problem. NIUS ist ein hervorragendes Beispiel dafür, mit welchen, vergleichsweise geringen Mitteln die deutsche Rechte eigentlich zu übernehmen ist. Durch meine Tätigkeit für den Heimatkurier, hatte ich in letzter Zeit die Gelegenheit zu sehen, wie wenig NIUS noch aus der rechten Gegenöffentlichkeit wegzudenken ist. Der Grund ist einfach: Die allermeiste rechte Medienarbeit ist entweder reiner Meinungsjournalismus, bei dem eben ein Kolumnist wie ich seine mehr oder weniger qualifizierten Ansichten von sich gibt, oder aber sie funktioniert so, daß Nachrichten aus anderen Kanälen übernommen und „aus rechter Sicht“ wiedergegeben werden. Böse Zungen würden behaupten, daß wir vor allem Spin betreiben und keinen Nachrichten erzeugen. Tatsächliche journalistische Recherche erfordert aber ganz andere Mittel. Keine absurden Summen, aber eben doch Mittel, die die allermeisten rechten Akteure außerhalb der Partei nicht haben. NIUS hingegen verfügt offenbar darüber. Das Ergebnis: Man schaue einmal, welche rechten Meldungen über Statistiken, die nicht aus dem Mainstream kommen, sondern die erst einmal zusammengesucht werden mussten, über lokale Skandale, für die jemand wenn nicht hinfahren, so doch zumindest den ein oder anderen Tag damit verbringen muß, den Beteiligten hinterherzutelefonieren, und viele andere Meldungen und Reportagen, die man eben nicht beim Mainstream abschreiben kann, ihren Ursprung auf Julian Reichelts Seite haben.
Wie hoch das Budget von NIUS ist, das ist meines Wissens nach nicht öffentlich bekannt, doch was wir wissen ist, daß Reichelts Gönner ein Unternehmer Namens Frank Gotthardt aus Koblenz ist. Gotthardt ist Gründer des medizinischen IT-Anbieters CompuGroup Medical sowie parteiloser Ehrenvorsitzender des Landesverbandes Rheinland-Pfalz des Wirtschaftsrates der CDU. Die Angaben für die Marktkapitalisierung seines Unternehmens schwanken etwas, betragen aber grob um die eine Milliarde Euro. Doch das ist gar nicht der Wert, der uns hier interessiert. Stattdessen wollen wir wissen, wie hoch Frank Gotthardts flüssiges Jahreseinkommen in etwa ist. Es existieren 51,73 Millionen Aktien des Unternehmens und davon hält die Familie Gotthardt 45,25%1. Im Jahr 2024 wurde pro Aktie ein Euro an Dividenden ausgeschüttet. In den Jahren 2019 bis 2023 war die Ausschüttung nur halb so groß, also 50 Cent pro Aktie.2 Das macht ein Dividendeneinkommen von 23,4 Millionen Euro an die Familie Gotthardt im Jahr 2024 und gerade einmal von 11,7 Millionen in den Vorjahren. Von diesen Summen will Vater Staat aber auch seinen Anteil, die Kapitalertragssteuer beträgt in Deutschland etwa 27%. Macht also 17 Millionen im Jahr 2024 und gerade einmal 8,5 Millionen in den Jahren davor. Natürlich kann Frank Gotthardt andere Einkommensquellen haben, seine Tätigkeit als Vorsitzender des Verwaltungsrates wird nicht unbezahlt sein, andere Aktien, Beteiligungen, Immobilien und so weiter, das wissen wir nicht. Aber das gibt uns ein gutes Bild von der Größenordnung in der wir uns bewegen. Diesen anderen uns unbekannten Einkommensquellen steht entgegen, daß es sich bei dem Dividendeneinkommen um das der gesamten Familie Gotthardt handelt, wir gehen also der Einfachheit halber davon aus, daß Frank Gotthardt darüber als Patriarch verfügen kann, was heutzutage nicht unmöglich, aber längst nicht mehr der Normalfall ist. Aber da wir nicht das Finanzamt sind, genügt uns ein ungefähres Bild von Frank Gotthardts finanzieller Potenz.
Außer NIUS hat Frank Gotthardt drei private Regionalsender (DRF1, TV Mittelrhein und Westerwald-Wied TV) und besitzt den Eishockeyverein Kölner Haie. Der Mann ist reich und hat entsprechende Hobbys, aber er ist kein Elon Musk, der 40 Milliarden Dollar für Twitter hinblättern kann (dafür aber auch Aktien verpfänden musste). Wenn Gotthardt NIUS auch nur eine einzige Million im Jahr zuschießt, dann wäre das an seinem laufenden Einkommen gemessen schon eine recht beträchtliche Summe. Aber selbst wenn er das Sparschwein geschlachtet und Julian Reichelt für die NIUS Gründung im Juli 2023 sagen wir 20 Millionen in die Hand gedrückt haben sollte, dann wäre das immer noch ein Spottpreis gemessen an dem Einfluß den er damit auf die AfD und alles in ihrem Umfeld erworben hat und für die dominante Position, die NIUS im Ökosystem rechter Medien nach gerade einmal anderthalb Jahren einnimmt.
In der Weihnachtszeit haben Maximilian Krah und Elon Musk mit zwei Kontroversen dieses Problem der feindlichen Übernahme der Rechten weit aufgerissen und zumindest einmal an derjenigen Öffentlichkeit zum Bewußtsein gebracht, die sich auf Twitter befindet.
Für diejenigen, die den letzten Monat im Koma verbracht haben: Maximilian Krah gab dem jüdischen Journalisten David Goldman für Asia Times ein Interview, das in seiner veröffentlichten Form schon mit der Überschrift begann, daß Europa ohne Juden intellektuell uninteressant sei. Allein die Auswahl des Titelbildes, auf dem Krah alles andere als vorteilhaft aussieht, war ein Schlag ins Gesicht und das Interview über weite Strecken ein Demütigungsritual. Das Krah sich dem unterzogen hatte, brachte Rechtstwitter gegen ihn auf. Ähnlich, nur in ganz anderen Größenordnungen erging es Elon Musk, etwas überraschend, weil alles was er gesagt hatte, genau das war, was er selbst, Trump und die gesamte Kampagne Donald Trumps im Wahlkampf lauthals versprochen hatte: Daß zwar die illegale Einwanderung bekämpft, die legale, insbesondere über das sogenannte H-1B Visaprogramm, über das die ganzen Technologiefirmen des Silicon Valley billige indische Programmierer anheuern, massiv ausgeweitet wird. Jetzt, nach der Wahl, da Trump fast im Amt ist, meinen US-Rechte auf Twitter, sie könnten nachverhandeln.
Beide Fälle stehen faktisch wie symbolisch für die beiden größten Fraktionen, die heute in der westlichen Welt das rechte Grundstück kaufen wollen: Den Rechtszionismus und die Technologieunternehmen. Der Rechtszionismus ist von beidem der ältere, besteht in den USA seit Jahrzehnten und hat sich mit Personen wie Geert Wilders auch in Europa fest etabliert. Daß Teile des Technologieunternehmertums nach Rechts geschwenkt sind, ist hingegen ein Phänomen der letzten vier Jahre und nicht zuletzt dem Chaos unter der Administration Biden und allgemein bei den US-Demokraten zu verdanken, auch wenn Netzwerke wie die Peter Thiels bis in die 00er Jahre zurückreichen.
Nun ist es natürlich ein naheliegender Gedanke Bündnisse zu schließen, schließlich macht man das in so in der Politik. Vielleicht muß man das Grundstück gar nicht verkaufen, sondern kann es vermieten? Dieser Gedanke krankt an einer völligen Verkennung der Machtverhältnisse. Neema Parvini hat das kürzlich so unvergleichlich ausgedrückt:
„Natürlich funktioniert das niemals – und ich meine kein einziges Mal – so. Wie ich unzählige Male erklärt habe, gibt es hier keinen Handel. Es läuft so: Ein Großspender sei er Zionist, Tech Bro, oder sonstwer, gibt Ressourcen und erhält im Gegenzug was er will. Sie, lieber Wähler, wie die Kinder in Charlie und die Schokoladenfabrik, BEKOMMEN GAR NICHTS, SIE VERLIEREN, GUTEN TAG DER HERR. Die Kosten für Trump dafür, keine H-1B Visas oder unkritische und blinde Unterstützung Israels mitzutragen, sind Milliarden an Dollar und institutionelle Unterstützung. Die Kosten für Trump seine Wähler zu betrügen? Keine.“
Hier liegt der Hund begraben und es dieses Hundegrab liegt an der Wurzel der strukturellen Schwäche der Rechten in allen westlichen Ländern. Die Konvergenz der Krisen welche die Menschen nach Rechts treibt, hat diese Schwäche nur übertüncht. Sie ist ganz einfach: Im politischen Tagesgeschäft hat die Rechte keine Verhandlungsmacht. Keine.
Die Rechte stützt ihre Macht auf das Volk. Öffentlichkeitsarbeit, Wählerstimmen, Metapolitik, Overton-Fenster und People Power sind die Schlagworte und das Problem ist nicht, daß all das nicht existiert, sondern das die Rechte damit hantiert, wie der sprichwörtliche Mann, der nur einen Hammer hat und alles für einen Nagel hält. Nur hat die Rechte eben nur diesen Hammer und es ist wirklich ein Hammer, kein Skalpell.
Vor der Wahl Donald Trumps gab es einen sehr bitter geführten innerrechten Streit darüber, ob die Rechte Trump nun wählen solle, oder nicht. Wie das mit amerikanischen Debatten so ist, wurde dieser Streit nicht minder erbittert von denen geführt, die in den Vereinigten Staaten gar nicht wahlberechtigt sind. Er spiegelt sich aber in vielen Debatten, die man um den Kurs der AfD mitbekommt. Es gibt ja inzwischen eine erkleckliche Anzahl an Rechten, die diese Partei nicht mehr wählen, oder gar ungezwungen und ohne den Druck eines Parteiausschlußverfahrens aus AfD und JA ausgetreten sind.
Die demokratischen Mittel der Wahlen und Abstimmungen sind der Versuch, einen gewaltlosen Ersatz für die ältere und ursprünglichere Form der Volksmacht zu finden, die sprichwörtlich aus Fackeln und Mistgabeln bestand. Mit dem gewaltsamen Aufstand teilt eine Wahl aber die Eigenschaft, daß sie ein stumpfes Instrument ist. 2016 bezeichnete Michael Moore in einem berühmt gewordenen Auftritt Donald Trump als einen menschlichen Molotow Cocktail, als „das größte Fickt Euch der menschlichen Geschichte.“ Nur ist das das einzige, was der Wähler tun kann, wenn er mit der eigenen Führung unzufrieden ist. „Am 8. November werdet ihr das ganze verdammte System in die Luft jagen, weil es euer Recht ist!“ Der Wähler, wie der Bauer mit der Mistgabel, hat nur die Wahl zu akzeptieren, wie das System funktioniert, oder aber das ganze verdammte System in die Luft zu jagen. Denn dort wo die Wurst gemacht wird, in den Institutionen und den Besprechungen, in denen tatsächlich einmal zwei, manchmal auch drei oder vier Männer einen Handel abmachen, sitzen sie schon deswegen nicht, weil sie dafür viel zu viele und viel zu unorganisiert sind.
Das ist noch viel drastischer der Fall, wenn es nicht um das gesamte Land geht, sondern nur um ein politisches Lager in einem auch noch hoch polarisierten politischen System. Denn ist nämlich der einzige Gegenkandidat, den man sinnvollerweise wählen könnte, der Kandidat der feindlichen Seite. Nicholas Fuentes und andere amerikanischen Rechten, die angesichts dessen, was bei Trump im Angebot war, offen zur Wahl von Kamala Harris aufriefen, mußten sich den Vorwurf anhören, rein destruktiv zu sein. Nur, wenn alle Machtmittel die man hat in der Öffentlichkeitsarbeit und damit in den Wählerstimmen bestehen, die man vielleicht, ganz vielleicht, bewegen kann, dann gab es nur die beiden Optionen: Entweder man akzeptierte Trump, akzeptierte damit „infinity Indians“ und vor allem, daß der Platz der Rechten, das politische Grundstück nun von denjenigen besetzt wurde, die legale Migration offen zu ihrem Programm gemacht hatten, oder man versuchte Harris als menschlichen Molotow Cocktail gegen Trump zu werfen.
Wer einen Handel schließen will, der muß verhandeln können und wer verhandeln will, der muß ein Druckmittel haben. Wenn das einzige Druckmittel darin besteht, alles in Stücke zu schlagen, dann hat man oft gar kein Druckmittel, weil es für einen selbst immer noch besser ist, selbst den schlechtesten Handel mitzutragen. Es ist dasselbe Prinzip, aus dem alle Atommächte der Welt sich weiterhin konventionelle Streitkräfte halten, weil sie sonst alles akzeptieren müßten, wofür es sich nicht lohnt einen nuklearen Schlagabtausch einzugehen.
In den Institutionen, Spenderkonferenzen und Hinterzimmern, also dort wo Politik jenseits der Wahlen gemacht wird, ist die Rechte extrem schwach. Die Illusion der öffentlichen Meinungsmacht, vor allem wenn sie im in einzelne Blasen und Echokammern aufgeteilten Raum der sozialen Medien stattfindet, kann dies nicht ersetzen. Das hat dieses Jahr Maximilian Krah auf die harte Tour erfahren müssen. Seine Erfolge und seine Anhängerschaft in den sozialen Medien waren nichts wert, als auf der anderen Seite die Sitze und Stimmen in den relevanten Parteiausschüssen standen. Im Konfliktfall hat die institutionelle Macht den längeren Atem. Als die Europawahl vorbei war, wurde er geschasst. Der Mann, der ihm in den Rücken gefallen ist, René Aust, mußte sich zwei Wochen lang in der innerrechten Öffentlichkeit durch die Jauche ziehen lassen. Inzwischen ist er aber nicht nur Delegationsleiter der AfD im Europaparlament, sondern Fraktionsvorsitzender der Fraktion „Europa der Souveränen Nationen“, Maximilian Krah hingegen ist in Brüssel so isoliert, daß er versucht sein dortiges Mandat mit einem in Berlin zu vertauschen. Man kann es Krah fast nachsehen, daß er sich nun Unterstützer zu suchen scheint, die mehr zu bieten haben, als TikTok-Filmchen und Shitstorms auf Twitter. Genauso bedeutungslos, wie der Sturm gegen Aust wird in einem Monat der Sieg sein, zu dem sich die amerikanischen Rechten nun in ihren Twitterdebatten gegen Elon Musk beglückwünscht. Musk und auch Trump werden die Lektion lernen, die H-1B-Sache nicht an die große Glocke zu hängen und sie trotzdem in irgendeinem Gesetzespaket durchdrücken. In dem Ausschuß, der dieses Gesetzespaket zusammenstellt, wird keiner der heutigen Twitterhelden sitzen und auch niemand, der von diesen Twitterhelden seinen Wahlkampf finanziert bekam. Ende der Geschichte.
Die Rechte ist alles, nur nicht finanzstark. Im Gegenteil, rechte Politik, vor allem Migrationsbeschränkung oder gar Remigration, ginge einer Reihe finanzstarker Gruppen an den Geldbeutel. Damit ist der plutokratische Weg zur Macht schon einmal versperrt. Der andere wäre der, der immer unter dem nebligen Stichwort „Organisation“ behandelt wird. Wirkliche Massenorganisation haben wir nicht. Die Organisation in Lobbygruppen oder Einflußnetzwerken ist stark unterentwickelt. Auch das hat einen Grund: Weil genuin rechte Positionen diejenigen sind, die vom herrschenden Regime am schärfsten bekämpft werden, sind genuin rechte Politiker, politische Mitarbeiter, oder auch nur grob assoziiertes Vorfeld, aus Sicht der Partner, seien diese nun deutsche Liberalkonservative, amerikanische Tech Bros oder sonst wer, oft mehr Belastung als Nutzen, auf jeden Fall jemand, den man möglichst schnell los wird, sobald man ihn nicht mehr braucht und dessen Nutzen immer gegen die durch ihn verschlossenen Türen im Establishment gegengerechnet werden muß. Die AfD hat Organisationen auf der Unvereinbarkeitsliste, weil sie zu rechts sind, keine einzige, weil sie zu liberal ist. Das allein gibt bereits die Dynamik vor.
Das führt bei denjenigen, die solche Lobbygruppen und Einflußnetzwerke bilden könnten oft zu einer Trotzreaktion: „Für unsere Arbeit brauchen wir die Partei doch nicht.“, so säuft man sich die triste Wirklichkeit mit dem Wort von der „Projekthygiene“ schön. Die Rechte gleicht hier einer Barschlampe, die von einem reichen Playboy abgewiesen wurde und sich jetzt einredet, daß sie mit so einem Mann sowieso nie ins Bett steigen würde.
Dabei ist das Parteienwesen, noch der einzige Grund in Deutschland etwas optimistischer zu sein, als in den Vereinigten Staaten. Die Vereinigten Staaten sind eine offene Plutokratie. Es gibt sogenannte Parteien, aber die sind keine festgefügten Organisationen wie bei uns, sondern Franchiseunternehmen, wie McDonalds. Der eigentliche Politunternehmer ist der einzelne Senator oder Kongreßabgeordnete, oder eben auch Präsident selbst. Er organisiert seinen Mitarbeiterstab und seinen Wahlkampf und muß sich auch selbst um die Finanzierung kümmern, also Geldgeber finden, an die er sich verkaufen kann. Das übliche Mittel um einen amerikanischen Politiker in den eigenen Reihen zu disziplinieren ist auch nicht das Parteischiedsgericht oder eine Listenaufstellung die es im amerikanischen System gar nicht gibt, sondern die Primary: Also die Möglichkeit in seinem, in den allermeisten Fällen eigentlich sicheren Wahlkreis einen Gegenkandidaten aus der eigenen Partei aufzustellen und diesen Gegenkandidaten mit Geld zuzuschütten.
Wenn ein politisches System nicht plutokratisch seien soll, dann braucht es irgendwo eine solide Machtbasis jenseits des Prinzips: Wer zahlt schafft an. Öffentlichkeit, Metapolitik, in einem Wort Wähler, können das nicht sein. Wenn wir uns die beiden bedeutendsten nichtwestlichen Staaten ansehen, dann ist das in China der Apparat der Kaderpartei. In Russland war es der weniger formelle Zusammenschluß der Silowiki, der Geheimdienstler und Militärs um Wladimir Putin, die die Mafiaoligarchen der Jelzinära zum Teufel gejagt haben. In Deutschland und einer Reihe anderer europäischer Länder gibt es als nichtplutokratischem Weg zur Macht immerhin die Parteiorganisationen. Das politische System schreibt bei uns, anders als in den USA, eine bestimmte Form der politischen Organisation vor, die man nicht einfach mit Geld kaufen kann. Deshalb ist das Verhältnis zwischen deutschen Politikern und finanzstarken Lobbyverbänden auch bei den Altparteien meist nur eines der Bestechlichkeit. Ein Beratervertrag für die gewünschten Gesetze. Einen Politiker unter Druck zu setzen, wie das in Amerika von großen Lobbys wie AIPAC ganz offen praktiziert wird, ist für deutsche Lobbyverbände zwar nicht unmöglich, aber viel schwieriger. Deshalb ist das Parteiwesen der einzige wirkliche Angriffspunkt für die Rechte, um tatsächlich eigene Macht aufzubauen und endlich aus diesem Seifenblasenspiel herauszukommen, das immer dann in Tränen endet, wenn die tatsächlich Mächtigen mit der Nadel ankommen.
Wir leben in einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft und durch die politische Spaltung zieht sich noch einmal die ethnische. Es ist eine Illusion, alle, oder auch nur eine ausreichende Mehrheit von irgendetwas überzeugen zu wollen, daß einem selbst am Herzen liegt. Deshalb müssen Bündnisse geschlossen werden. Das gilt für alle politischen Richtungen, sei dieses Herzensanliegen nun der Erhalt des eigenen Volkes, oder der des Weltklimas. Am Ende des Tages hat die Rechte, die eigentliche Rechte, ihren möglichen Partnern aber nur eine Sache anzubieten: Eine politische Ordnungsvorstellung so schwammig sie zur Zeit noch ist. Das ist inzwischen mehr als nichts und es ist etwas, worauf wir von allen Gruppen jenseits des Weiter So ein Monopol haben. Der Rechtsschwenk der Techbranche entstammt der Einsicht, daß es so nicht weiter geht, auch für Silicon Valley nicht. Mit der ethnischen Komponente dieser Ordnungsvorstellung wird aber bei weitem nicht jeder Bündnispartner vereinbar sein und wir sind auch noch ein gutes Stück von dem Punkt entfernt, an dem dieser Trumpf stechen kann.
Onvista: https://www.onvista.de/aktien/unternehmensprofil/CompuGroup-Medical-Aktie-DE000A288904 [Abgerufen am 30. 12. 2024]
Parquet: https://app.parqet.com/aktien/compugroup-medical-DE000A288904/dividenden [Abgerufen am 30. 12. 2024].