American Prigozhin
Es gibt einen Unterschied zwischen Musk und Prigoschin: Putin ließ den Mohr gehen, nachdem er seine Schuldigkeit getan hatte. Trump, weil er das Ziel aufgegeben hat.
(Bildmontage: Fragen zur Zeit; Elon Musk: Prime Minister's Office (GODL-India), GODL-India <https://data.gov.in/sites/default/files/Gazette_Notification_OGDL.pdf>, via Wikimedia Commons; Jewgeni Prigoschin: Ministry of Internal Affairs of the Russian Federation (passport)PLATEL (restoration), Public domain, via Wikimedia Commons; Hintergrund: ADARSHluck, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons)
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Audiotext: American Prigozhin
Es gibt einen Unterschied zwischen Musk und Prigoschin: Putin ließ den Mohr gehen, nachdem er seine Schuldigkeit getan hatte. Trump, weil er das Ziel aufgegeben hat.
Elon Musk ist an der nächsten Station seines Prigozhinbogens angekommen. Er hat sich bei Trump entschuldigt. Der Widerspruch bleibt ungelöst. Wie es ausgehen wird, ist ungewiss.
Es bestehen mehr Ähnlichkeiten zwischen Elon Musk und Jewgeni Prigoschin, als nur daß beide sich irgendwann mit lautstarken Vorwürfen gegen ihre Herren wandten. Tatsächlich sind die Übereinstimmungen bei allen oberflächlichen Unterschieden frappierend. Beide wurden in einer Krise der staatlichen Institutionen von einem Staatschef als Externe in Dienst genommen. Nur die Größenordnungen sind bei Musk ungleich gigantischer. Was Wagner für die russische Armee getan hat, das sollte DOGE für den gesamten amerikanischen Staat leisten: Eine Aufgabe erfüllen, zu der die staatlichen Institutionen aufgrund ihrer inneren Struktur nicht fähig waren. Nur während die reguläre russische Armee bald in der Lage war, sich den Bedürfnissen des ukrainischen Kriegsschauplatzes gemäß umzustellen, gibt es nicht das leiseste Anzeichen dafür, daß der Sumpf von Washington auch nur die geringsten Anstrengungen unternimmt, sein Ausgabenproblem in den Griff zu kriegen.
So gibt es doch einen wesentlichen Unterschied zwischen Musk und Prigoschin. Putin wie Trump entledigten sich ihres Mannes auf Geheiß des Apparats, um sich nicht für einen Günstling die Amtsträger in den Staatsinstitutionen zu Feinden zu machen. Aber Putin ließ den Mohr gehen, nachdem er seine Schuldigkeit getan hatte. Trump, weil er das Ziel, die wuchernde Staatsverschuldung irgendwie in den Griff zu bekommen, aufgegeben hat. Trump hat Glück, daß gerade in Los Angeles einige von der Deportation bedrohte Illegale, vor allem aber linke Berufsdemonstranten Randale machen. Da läßt sich unter den Tisch kehren, daß die zweite Regierung Trump gerade bei einem ihrer beiden wichtigsten Ziele das Handtuch geworfen hat. In der Einwanderungsfrage ist man, allen starken Sprüchen zum Trotz, ebenfalls in einer Sackgasse gelandet. Trump streitet sich mit Provinzrichtern um die Abschiebung von Illegalen. Die weißen Amerikaner werden auch unter dem Kurs Donald Trumps unweigerlich zur Minderheit werden. Dahinter tut sich die große Frage auf, die gerade in Deutschland verdrängt wird, weil die Macht noch so fern scheint:
Wer an die Macht gekommen ist, muß regieren. Nur wie? Im Zerwürfnis zwischen Elon Musk und Donald Trump laufen die Fäden zweier Krisen zu einem gordischen Knoten der Unmöglichkeiten zusammen. Auf der einen Seite die Masseneinwanderung. Deren Kern liegt darin, daß Einwanderer subjektive Aufenthaltsrechte erlangen und man sie zumindest unter den Bedingungen politischer Normalität immer sehr viel schwieriger wieder außer Landes bekommt, als es für die Migrationslobby ist, neue Einwanderer hereinzulassen1. Hier ging es jetzt um die andere große Krise, die Staatsfinanzen. Das Problem ist, wie Musk auf dem Weg nach draußen noch feststellte und wie jeder seit Jahrzehnten wissen kann, nur in zweiter Linie die nominelle Staatsschuld, die in den USA zur Zeit immerhin bei 36,2 Billionen US-Dollar liegt, sondern die Verpflichtungen aus Renten-, Kranken- und Sozialversicherungen. Diese implizite Staatsschuld beträgt laut einer Berechnung von Jagadeesh Gokhale und Kent Smetters von der Universität von Pennsylvania ganze 65,7 Billionen Dollar2. Zusammen mit den 36,2 Billionen Dollar expliziter Staatsschulden kommen wir auf 101,9 Billionen Dollar3. Zwei Billionen Dollar im Jahr sollte Musk über das DOGE einsparen. Das ist die Größenordnung, die auch notwendig wäre. Geschafft hat DOGE zur Zeit 180 Milliarden. Das ist nicht nur entschieden zu wenig. Es wird auch an anderer Stelle mehr als wieder ausgegeben. Tatsächlich ist die Neuverschuldung unter Trump im Jahr 2025, Stand April 2025, mit 1051 Milliarden Dollar etwa 22 Prozent höher als unter Biden im Vorjahresmonat4.
Implizite Staatsschuld hat gegenüber expliziter Staatsschuld übrigens eine Besonderheit: Weil viele dieser Leistungsverpflichtungen auf die eine oder andere Weise an die Inflation gekoppelt sind, lassen sich die impliziten Staatsschulden auch nur begrenzt weginflationieren. Alle Ansprüche auf gewisse Sachleistungen wie medizinische Versorgung oder Pflege richten sich sowieso nach dem Preis dieser Leistungen, ohne daß irgendwelche Inflationsraten berechnet werden müssen. Zwar steigert Inflation niemandes Lebensstandard außer den einiger Profiteure und Parasiten, aber sie hat für Politiker einen entscheidenden Vorteil: Sie passiert einfach. Niemand muß sich hinstellen und den Beschluß treffen, irgendjemandem etwas wegzunehmen. Das heißt auch: Mehr als alle anderen Arten von Schulden gefährden implizite Schulden die politische Stabilität. Schulden sind da nicht gleich Schulden. Inflation, solange sie nicht galoppierend ist, hat politisch den Vorteil, daß sie einen klaren Konfliktpunkt vermeidet, der das System destabilisieren kann. Wenn stattdessen zu einem bestimmten Zeitpunkt öffentlich darüber verhandelt werden muß, wem was weggenommen werden soll, das ist der Anlaß für Revolutionen.
Bei schrumpfender Demographie kann nicht bezahlt werden, was der Staat versprochen hat. Noch weniger als Zahlen mit vielen Nullen können die tatsächlichen Leistungen erbracht werden, die hier erwartet werden. 36,2 Billionen, oder 65,7 Billionen, oder 101,9 Billionen sind Zahlen, unter denen sich niemand mehr etwas vorstellen kann. Freundlicherweise haben Gokhale und Smetters das in die zusätzliche Nettosteuerlast über das Leben eines durchschnittlichen 20-jährigen Amerikaners umgerechnet. Die Nettosteuerlast ist die Steuerlast abzüglich der vom Staat erhaltenen Leistungen. Diese beträgt im Durchschnitt nach jetzigem Stand für einen heute 20-jährigen Amerikaner 132.000 Dollar. Soviel muß er im Laufe seines Lebens zahlen. Rechnet man die implizite Staatsschuld ein und geht davon aus, daß diese allein durch Mehrbesteuerung finanziert werden soll, dann müßte sich diese Nettosteuerlast des heute 20-jährigen auf 426.000 erhöhen! Das ist ein Anstieg um 223%!
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