Jep. Dune ist links.
Das verrückte Eigenleben memetischer Begriffe mitzubekommen gehört zu den Aufwandsentschädigungen, die man dafür erhält sich der sozialen Medienwelt auszusetzen.
(Bildquelle Tolkien: https://de.wikipedia.org/wiki/J._R._R._Tolkien#/media/Datei:J._R._R._Tolkien,_ca._1925.jpg.
Bildquelle Herbert: https://de.wikipedia.org/wiki/Frank_Herbert#/media/Datei:Frank_Herbert_1984_(square).jpg)
Bitte Teilen, Liken verbreiten! Es hilft diesem Blog!
Twitter:
https://twitter.com/Poensgen_JK/status/1774093234244899280
Instagram:
Telegram: https://t.me/fragenzurzeit/92
In den letzten zwei Monaten geht der Preis dafür eindeutig an „media literacy“. Ursprünglich ein dumpfer Fachbegriff aus den Tiefen des unendlichen universitären Betriebes, wurde „media literacy“ kürzlich zum Kristallisationspunkt einer Debatte um Robert Heinleins Science Fiction Roman Starship Troopers, sowie dessen Verfilmung durch Paul Verhoeven. Mangelnde „media literacy“ warfen linke Möchtegernfeingeister, denjenigen vor, die sich mit der Terranischen Föderation identifizieren anstatt sie als Satire auf faschistoide Gesellschaften zu erkennen. Im 16. Gedankensplitter habe ich über die ulkigen Übertragung dieses Diskurses auf Helldivers 2 gesprochen, das ja nur oberflächliche Ähnlichkeiten mit mit Starship Troopers teilt und tatsächlich eine Satire ist, nur nicht auf den Faschismus.
Nun springt die „media literacy“-Debatte auf ihren nächsten memetischen Wirt über: Frank Herberts Dunezyklus, der in Teilen nun von Denis Villeneuve verfilmt wird. Ist die Geschichte von Paul Atreides nun die Heldenreise eines sensitiven jungen Mannes, der sich gegen das Langhaus der Bene Gesserit auflehnt? (So Carl Benjamin aka Sargon of Akkad.) Oder hat Villeneuve recht, wenn er Dune als Warnung vor dem Machthunger charismatischer Männer darstellt, dem er Pauls Geliebte Chani als starke Frauenfigur gegenüberstellt?
Da großangelegte Kunstprojekte erhebliche Mittel erfordern, ist eine oppositionelle Bewegung hier auf Indieprojekte zurückgewiesen, bei denen keine Meisterschaft die fehlenden Gelder ersetzen kann. Gerade im Film will man auf die Ausdrucksstärke aber nicht verzichten, also kapert man Mainstreamproduktionen, die einem zusagen. Der Gedanke: Archetypen können stärker sein, als linke Regisseure. Gerade wenn der Regisseur echtes künstlerisches Talent habe, setze sich das urtypische Thema gegen die dekonstruktivistische Interpretation durch.
Das Thema von Dune ist nun alles andere als Urtypisch. Frank Herbert selbst widmete sein Werk den Ökologen. Allerdings liegt hier schon eine Falle. Wir sollten dabei gerade nicht an die spätere Ökobewegung denken. Herbert dachte Ökologie tatsächlich ganzheitlich. Es gäbe eine psychologische Ökologie, eine religiöse Ökologie, eine wirtschaftliche Ökologie und alle seien miteinander verbunden, erklärte er seine Weltsicht, wenige Jahre vor seinem Tod.
Entwicklung aus Verbindung mit der Umwelt, Rückwirkung auf deren Entwicklung und so weiter, die Zwänge dieser Kreisläufe bestimmen Dune, von der ersten bis zur letzten Seite. So könnten wir den Streit um Dune auf die Frage übertragen, ob denn nun die Ökologie rechts oder links sei. Doch wie es sich damit auch verhalten mag. Die Ökologie, mit ihrem notwendig kybernetischen Denken in ineinander verschachtelten Regelkreisen, ist eben gerade kein Archetyp aus uralter Zeit. Auch dann nicht, wenn die ihr unterworfene Gesellschaft der Zukunft neofeudale Züge trägt. Wie alle gute Science Fiction ist Dune eine Bewältigung des großen Umbruches, der unsere Welt aus den Gewissheiten der Agrargesellschaft herausgerissen hat.
Namedropping ist eine sichere Methode um Klicks zu generieren und so sollte es einen nicht zu sehr verwundern, daß eine guter Teil dessen, was der eifrige Schwarm der Kulturinfluencer zu allem hervorbringt, was gerade über die Leinwände flackert, zur Zeit aus Vergleichen zwischen Dune und anderen, noch bekannteren Namen der modernen Phantastik besteht. Wie verhält sich Dune zu Star War, wie verhält sich Dune zu Star Trek und so weiter ad nauseam.
Tatsächlich interessant ist dabei der Vergleich mit einem der Berühmtesten, der aber nicht gerade beim Thema Raumschiffe und fremde Planeten in den Sinn kommt: Tolkien. Interessant deshalb, weil Tolkien den ersten Dune-Band nach dessen Erscheinen mit der Frage zugeschickt bekam, was er davon halte. Tolkiens Antwort war: Gar nichts. Aber er ziehe es vor über das Werk eines anderen Autors zu schweigen, wenn er schon nichts Gutes darüber sagen könnte. Eine abschließende Beurteilung von Dune war Tolkien sowieso nicht vergönnt, der letzte Band, “Die “Ordensburg des Wüstenplaneten” erschien erst 1985, 12 Jahre nach seinem Tod.
Für alle Content-Kreatoren eine unwiderstehliche Gelegenheit, Dune dem Herrn der Ringe gegenüberzustellen und Banalitäten, wie die klare Gut-Böse Scheidung und das eukatastrophisch gute Ende bei Tolkien der moralischen Ambivalenz und den Grautönen bei Herbert gegenüberzustellen. Was selbst wieder ein lustiges Beispiel für das Eigenleben der Memetik ist. Diese Gegenüberstellung verdanken wir der Tatsache, daß das gesamte Kulturkommentariat durch ein Jahrzehnt Game of Thrones auf exakt diesen Vergleich zwischen Tolkien und George. R. R. Martin konditioniert wurde.
Doch gräbt man tiefer findet man tatsächlich einen Unterschied zwischen Tolkien und Herbert, der an die Wurzel fasst. Tolkiens Werk war der letzte große Versuch die heidnische Ethik und Ästhetik und ihre Begriffe von Ehre, Adel und Schönheit auf ein christliches Weltbild zu pfropfen. Warum ich diesen Versuch für gescheitert halte, habe ich hier bereits behandelt. Zu Tolkien muß man hier wissen, daß die Moralität seiner Welt unter der christlichen Spannung zwischen der gottgegebenen Willensfreiheit und der Sündhaftigkeit des Gebrauchs eben derselben gegen den Willen Gottes steht.
Herberts Blick auf die Welt ist demgegenüber radikal anders. Seine Welt ist kausal vorherbestimmt und die Geschichte von Dune ist die des Ausbruchs der menschlichen Spezies aus dieser erdrückenden Gewissheit. Die Geschichte beginnt dort, wo die populäre Dunerezeption endet: Mit dem Ende des ersten Bandes. Paul wird Imperator und erobert die Galaxis, doch er zerbricht an seinen eigenen hellseherischen Fähigkeiten. Seine Visionen zeigen ihm die Zukunft, wie sie kommen muß und kommen wird! Paul flieht in die Wüste. Sein Sohn Leto II. nimmt das Erbe seines Vaters auf und herrscht dreieinhalbtausend Jahre als Gottkaiser über die Menschheit. Er hat die Kraft den Goldenen Pfad zu verfolgen, den schmalen Weg, der die Zukunft der menschlichen Spezies sichert.
Der Schlüssel zur Zukunft und zur Freiheit sind Nicht-Räume und Nicht-Gene. Nicht-Räume sind Räume, deren Inneres informativ vollständig vom Rest des Universums getrennt sind, so daß selbst ein Hellseher wie Leto nicht weiß, was in ihnen geschieht. Das Nicht-Gen, welches Leto durch Menschenzüchtung erschafft, verbirgt seinen Träger vor denjenigen, die sonst die Bestimmung des Universums in all ihren Fäden nachverfolgen können. Auf Nicht-Schiffen, fliegenden Nicht-Räumen, brechen die überlebenden Träger des Nicht-Gens schließlich in die Unendlichkeit des Kosmos auf und sprengen auf immer die Vorherbestimmtheit der Geschichte.
Die Verwendung der Vorsilbe „Nicht-“, im englischen Original „no-“ („no-chambers“, no-genes“, „no-ships“) verrät uns den eigentlichen Streitpunkt. Er ist ontologisch.
Um das zu verstehen gehen wir noch einmal zurück zu Tolkien:
Mit einem 7-tägigen kostenlosen Probeabonnement weiterlesen
Abonnieren Sie Fragen zur Zeit, um diesen Post weiterzulesen und Sie erhalten 7 Tage kostenlosen Zugang zum gesamten Post-Archiv.