Merz Xiaoping und der himmlische Frieden
Wir haben Friedrich Merz unterschätzt. Punkt. Und weil manche das nicht auseinanderhalten können: Nein, das heißt nicht, daß er „eigentlich unser Mann ist“. Merz will CDU und BRD retten. Nach den Steinen tastend den Fluß überqueren.
(Bild: Grok)
Deng Xiaoping war ein Kommunist. Das ist das Wichtigste, was man erst einmal über den Mann wissen muß, der China im Endeffekt aus dem Kommunismus herausgeführt hat. Als Student in Paris schloß er sich der kommunistischen Partei an, studierte dann in Moskau und diente im chinesisch-japanischen Krieg, wie im Bürgerkrieg als Politkommissar. Deng war ein Veteran des langen Marsches.
Als Chruschtschow die Entstalinisierung der Sowjetunion einleitete, sah Deng dies auch als Angriff auf das chinesische Modell und als Teil einer chinesischen Delegation in Moskau 1956 empfahl er Chruschtschow während des Ungarnaufstandes rigoroses Durchgreifen. Man könne Budapest nicht dem Feind überlassen. Ende der Fünfziger leitete Deng die Kampagne gegen die Rechtsabweichler und ließ Hunderttausende in Umerziehungslager stecken.
An der Umsetzung des großen Sprungs nach vorn, war Deng ausführend beteiligt. Es waren die praktischen Folgen dieser katastrophalen Politik des großen Sprungs, die Deng zum Kritiker Maos machten. Zunächst in zweiter Reihe hinter Präsident Lui Shaoqi, das Amt des Präsidenten stand, wie in der Sowjetunion, an Macht deutlich hinter dem des Parteivorsitzenden zurück.
Mao reagierte auf die Kritik, indem er die große Kulturrevolution entfesselte, die Jugend dazu aufrief „das eigene Hauptquartier zu beschießen“, was vor allem die Studenten gerne taten, nachdem die Kulturrevolution das strenge chinesische Prüfungssystem durch Aufnahme nach politischer Zuverlässigkeit ersetzt hatte. Deng wurde zu dem gezwungen, was man in Maos China eine Selbstkritik nannte und in die Provinz verbannt. Zeitweilig reparierte er Traktoren, seine Frau mußte als Putzkraft arbeiten. Einer seiner Söhne wurde von den Roten Garden gefoltert, stürzte aus einem Fenster, wie es hieß, und ist seitdem Querschnittsgelähmt. Vor seiner ersten Rückkehr 1973 wiederholte er in einem Brief an Mao seine Selbstkritik und versprach die Kulturrevolution nicht anzutasten. Noch einmal wurde er danach seiner Ämter enthoben, bis er nach Maos Tod 1976 wieder in die Politik zurückkehrte.
Bei Dengs Rückkehr in die aktive Politik bestand die Führung zunächst aus den von Mao bestimmten Nachfolgern um Hua Guofeng. Wichtiger: Alle möglichen Posten und Pfründe befanden sich in den Händen der Profiteure der Kulturrevolution. Neben Hua, der in der damaligen Konstellation die politische Mitte verkörperte, gab es auch noch die linke Gruppe um Maos Ehefrau Jiang Quing, die nach ihrem Sturz als „Viererbande“ in die offizielle Geschichtsschreibung eingehen sollte.
Bevor Deng wieder in die Politik zurückkehrte, gab er erneut eine schriftliche Versicherung ab, diesmal die, Huas Führungsanspruch zu akzeptieren. Deng beschränkte sein Aufgabengebiet zunächst auf die Forschungs- und Bildungspolitik. Dort begann er Stückweise die Folgen der Kulturrevolution umzukehren. Die Viererbande wurde schon am 6. Oktober 1976, nicht einen vollen Monat nach Maos Tod verhaftet.
Währenddessen meldeten sich nach Maos Tod all diejenigen Angehörigen der chinesischen Elite zurück, welche die Säuberungen überlebt, aber unter der Kulturrevolution gelitten hatten. 1978 waren diese gegenüber den Kulturrevolutionären bereits in der Mehrheit. Auf sie gestützt konnte Deng auch Hua stürzen.
Deng vermied es aber bis an sein Lebensende, Mao direkt anzugreifen. Statt weiterer Spaltungen fand er die politische Formel die nach dem Elend des Großen Sprungs und den Wirren der Kulturrevolution zog und hinter der sich sowohl das Volk, als auch eine Mehrheit der Führung vereinen konnte: Boluan Fanzheng, was wörtlich soviel bedeutet wie: „Weg mit dem Chaos, zurück zur Ordnung“. Manche übersetzen auch mit „zurück zur Normalität“. Diese Normalität bedeutet unter Deng und seinen Nachfolgern bis heute den unumschränkten politischen Führungsanspruch der kommunistischen Partei bei marktwirtschaftlichen Reformen. Letztere setzte Deng Schritt für Schritt durch. Anders als Jelzin in der Sowjetunion gab er nicht von einem Tag auf den anderen die Preise frei und verscherbelte die Staatsbetriebe an den Meistbietenden. Deng führte Sonderwirtschaftszonen ein, deren Sonderregelungen, falls sie erfolgreich waren, schrittweise auf den Rest des Landes ausgedehnt wurden. Deng nannte diese Methode: „Nach den Steinen tastend den Fluß überqueren.“ Das vermied nicht nur katastrophale Fehler, wie den Absturz Rußlands in die Oligarchenherrschaft unter Jelzin. Auf diese Weise waren die Reformen auch viel einfacher gegen die kommunistischen Ideologen durchzusetzen. Deng schaffte ja nicht den Kommunismus ab, er schuf nur eine Sonderzone gegenüber von Hongkong, das damals sowieso noch unter britischer Kontrolle stand und wo es immer Geschäfte mit dem kapitalistischen Ausland gegeben hatte. Später schaffte Deng nicht den Kommunismus ab, er weitete nur einige Regelungen aus, die sich in der Sonderwirtschaftszone so trefflich bewährt hatten.
Nach den Steinen tastend den Fluß überqueren. Diesen Satz kann man über Dengs ganze Politik setzen, seit er zum ersten Mal aus der Verbannung zurückkam. Die chinesische Geschichtsschreibung weist Deng den Verdienst zu, der Volksrepublik China das Schicksal der Sowjetunion erspart zu haben und in diesem Punkt, haben die Hofgeschichtsschreiber der kommunistischen Partei recht.
Daß Deng Xiaoping China bis zu seinem Tod 1997 praktisch, wenn auch nie dem Titel nach, als Alleinherrscher regieren konnte, lag daran, daß er der Mann war, der politische Stabilität mit Reformen verband. Er führte die notwendigen Reformen durch, um das politische System zu stabilisieren, trat aber auch entschieden auf die Bremse, wenn der Reformeifer die Stabilität zu gefährden drohte. Als 1989 der Zusammenbruch des Ostblocks auf die Volksrepublik überzuspringen drohte und Massenproteste den Tian’anmen Platz, den Platz des himmlischen Friedens besetzt hielten, lies er gegenüber denjenigen, die die Reformen bis zum Umsturz der Volksrepublik selbst treiben wollten Panzer rollen.
Als Garant der Stabilität, der gleichzeitig die notwendigen Veränderungen durchführte, konnte er die Machtblöcke der chinesischen Gesellschaft sehr weitgehend hinter sich vereinen.
Friedrich Merz ist ein CDU-Mann. Das ist das Wichtigste, was man erst einmal über den Mann wissen muß, der nun verspricht, Deutschland aus der Politik der Merkelära herauszuführen. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein deutlich bräsigeres System als die Volksrepublik China. Und so wie Friedrich Merz die Jahre seiner Verbannung nicht als Landwirtschaftsmechaniker, sondern in gutbezahlten Wirtschaftsposten verbringen durfte, ist es auch sehr unwahrscheinlich, daß er die Dreierbande aus Hendrik Wüst, Daniel Günther und Kai Wegner verhaften lassen wird. Dennoch sind die strukturellen Ähnlichkeiten frappierend. Nicht nur weil Deng wie Merz beide Spitzenfunktionäre ihrer Parteien sind, die nach verlorenen Machtkämpfen für Jahre aus der Politik verbannt waren. Beide kamen unter der Beteuerung zurück, sie würden nun den Kurs ihrer internen Gegner unterstützen und beide haben das solange getan, wie es opportun war, um dann das Ruder herumzureißen.
„Verrat ist eine Frage des Zeitpunktes.“, wusste Talleyrand zu sagen. Und der musste es wissen. Das gilt auch für den Verrat an einer politischen Linie, die bisher unantastbar schien. Es kommt nämlich immer wieder vor, daß eine solche Linie sehr plötzlich von „unantastbar“ auf „unhaltbar“ umschwenkt. Dann muß ein Politiker zum richtigen Zeitpunkt seine Meinung ändern. Das scheint Merz gelungen zu sein. Trotz des offenen Aufrufs Angela Merkels gegen das Zustrombegrenzungsgesetz, stimmten am 31. Januar 184 von 196 Unionsabgeordnete für Merz und gegen Merkel. Denn das war die Abstimmung, die hier tatsächlich durchgeführt wurde. Das dreckige Dutzend der Abweichler stimmte nicht dagegen, enthielt sich nicht einmal, sondern erschien gar nicht erst im Bundestag. Das wäre vielleicht einen Monat, gewiss aber zwei Monate davor noch ganz anders gewesen. Daß der Gesetzesvorschlag im Bundestag gescheitert ist, ist gegenüber der Tatsache völlig nachrangig, daß Merz die Abstimmung in seiner eigenen Partei mit überwältigender Mehrheit für sich entschieden hat.
Der Widerstand in seiner Partei kommt nun vor allem aus Landesverbänden in roten, vor allem aber grünen Koalition. Er kommt also von denen, deren eigene Machtstrukturen und Bündnisse noch nicht den neuen Verhältnissen angepasst sind. Diese Ungleichzeitigkeit verschiedener Machtstrukturen ist in Übergangszeiten normal und einer der wichtigsten Gründe, weswegen der Meinungs- und Seitenwechsel eine Frage des Zeitpunktes ist.
Ich selbst wette ja darauf, daß wir nach dem 23. Februar eine schwarz-blaue Koalition bekommen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt weist Merz diese Möglichkeit weit von sich, aber gleichzeitig will er den Antrag, den Grüne und SPD nun abgewiesen haben, nach der Wahl erneut einbringen. Nach der Wahl werden die Mehrheitsverhältnisse anders aussehen, aber irgendwie wird eine Regierung zustande kommen müssen.
Sehr viele gehen nun davon aus, daß Merz nach der Wahl seine Reformpläne in die Tonne treten und mit Rot, oder falls Schwarzrot nicht zur Mehrheit reicht, was gar nicht so unwahrscheinlich ist, mit Rotgrün eine Koalition bilden wird. Ich denke nicht. Zumindest wäre die Voraussetzung ein völliges Umfallen der SPD in den wichtigen Punkten, diese Punkte sind nicht nur die Migration, sondern auch die Wirtschafts- und Energiepolitik, das heißt, die Klimapolitik kommt unter den Rotstift. Denn bei den Reformversprechen, die Merz jetzt von sich gibt, handelt es sich nicht um das übliche Unionsgeschwätz, das nach der Wahl niemanden mehr interessiert.
Wie gesagt, Merz ist ein CDU-Mann und BRDling der allerersten Sorte. Die Union ist sowohl ihrem Selbstverständnis nach, wie auch faktisch, die staatstragende Partei der Bundesrepublik. Die Stabilität der Bundesrepublik als eines politischen Systems ist ihre oberste Priorität. Das ist nicht dasselbe, wie das Wohl des deutschen Volkes. Aber weder eine rapide Deindustrialisierung, noch eine Masseneinwanderung, wie zur gegenwärtigen Zeit, sind noch mit politischer Stabilität vereinbar. Die Union braucht nur nach Österreich zu schauen, um zu sehen, was ihr 2029 droht.
Dazu kommt noch etwas anderes, was man bei der traditionell transatlantischen Union gar nicht unterbewerten kann: Mit Donald Trumps Wiederwahl und seiner Normalisierung in den Vereinigten Staaten, hat sich beim Hegemon der Wind gedreht. In den Vereinigten Staaten sind die Verhältnisse sehr ähnlich wie bei uns, nur weiter fortgeschritten. Es gibt eine Linke, die momentan schwach und verwirrt ist und nach dem Versanden der woken Bewegung erstmal keine Perspektive hat und nicht weiß, was sie tun soll. Mag sein, daß sie sich neu orientiert, aber das wird Zeit brauchen. Dominierend ist zur Zeit ein Mitterechtskonsens, der darauf aus ist, das angeschlagene System durch Reformen zu stabilisieren. Was wir als politischen Umschwung wahrnehmen besteht darin, daß erheblichen Teile dessen, was Pareto die nichtherrschende Elite nannte, begriffen hat, daß das System, welchem sie ihre Positionen verdanken, in seiner Existenz gefährdet ist. Deshalb wollen sie Reformen und deshalb waren Techunternehmer wie Musk oder Thiel auch bereit, sich mit den herrschenden Eliten der woken Zeit anzulegen. Deshalb kann uns ein Blick in die Vereinigten Staaten zeigen, was wir in Deutschland zu erwarten haben, sollte Friedrich Merz sich durchsetzen, was ich annehme. Aber selbst wenn nicht, wenn Merz stürzt, dann ändert das nichts an der Struktur der Lage und die Chancen stünden gut, daß jemand anders bald denselben Weg zu einem besser abgepassten Zeitpunkt weitergeht.
Bis hierher werden vermutlich einige glauben, daß neben mir bereits der unterschriebene Aufnahmeantrag für die CDU liegt. Nichts läge mir ferner. Denn hier muß ich nun einen ganzen Kanister Salzwasser in den Wein schütten.
Wenn ich Merz als Merz Xiaoping bezeichne dann deshalb, weil ich ihn für jemanden halte, der Schrittweise die Reformen durchsetzen wird, die zur Zeit noch gegen die Ideologie verstoßen, die aber notwendig sind, um die politische Stabilität zu erhalten. Nach den Steinen tastend, wird er den Fluß überqueren, oder es zumindest versuchen. Gleichzeitig wird er aber rigoros gegen jegliche Versuche vorgehen, die Reformen soweit voranzutreiben, daß sie selbst wiederum destabilisierend wirken. Damit ist Merz Xiaoping für die Rechte ein strategisches Problem.
Seit zehn Jahren gibt es im strategischen Denken der neuen Rechten zwei Grundannahmen, welche durch ihn und die ganze Tendenz welche er repräsentiert, radikal infrage gestellt werden: Erstens, daß das System von der Willkommenspolitik der offenen Grenzen nicht zurücktreten könne, ohne seine Legitimität ganz zu verspielen, weil man dann ja eingestehen müsste, grundlegende Fehler gemacht zu haben. Zweitens, daß das Overtonfenster kontinuierlich sei, also daß seine Verschiebung in eine Richtung auch eine radikalere Position in dieselbe Richtung akzeptabler machen wird. Deng Xiaoping hat bewiesen, daß ein politisches System auch schwerste Fehler korrigieren und dabei stabil bleiben kann, wenn es sich selbst dabei als Garant der Ordnung darstellen kann und daß es dann durchaus selbst die Grenze ziehen kann, bis zu der Reformideen akzeptabel sind.
In der Migrationspolitik brauchen wir nur auf den Namen des Unionsantrages zu blicken, um zu sehen, wohin die Reise geht: Es ist ein Zustrombegrenzungsgesetz. Kein Remigrationsgesetz.
Damit liegt dieser Antrag in dem Trend, der den gesamten Westen gerade erfasst hat. Am deutlichsten in den Vereinigten Staaten unter Donald Trump, aber man hört ähnliches vom britischen Premier Kier Starmer, der ein gänzlich anderer Typus Mensch ist und einen gänzlich anderen Werdegang hat. Selbst aus Brüssel hört man inzwischen, daß das Asylrecht überholt sei und überarbeitet werden müsse.
Auch wenn die Linken sich noch dagegen wehren, die illegale Migration muß beendet werden und das wird gerade sehr schnell Konsens. Ich denke, wir werden erleben, was bis vor Kurzem als undenkbar galt, nämlich daß die ganze Einwanderung über das Asylverfahren plattgemacht wird. Derzeit ist es ja so, daß jeder, der irgendwo im Westen über eine Grenze kommt und „Asyl“ ruft, de facto bleiben kann und auch noch versorgt wird, weil er einen individuellen Anspruch auf einen Prozess hat, der sich ewig ziehen kann. Das kommt jetzt weg.
Ebenso werden gegen kriminelle Ausländer nun härtere Seiten aufgezogen. Der Zustrom und die Kriminalität müssen begrenzt werden, sonst destabilisieren sie das System. Dazu gehört auch die Abschiebung Illegaler. An die Legalen geht man aber nicht ran. Eher im Gegenteil, Donald Trumps Wählerschaft wird von Wahl zu Wahl multiethnischer. Auch die Rechte richtet sich in der ethnischen Wahl ein. Die Vorstöße Maximilian Krahs weisen auch bei uns in dieselbe Richtung.
Zustrombegrenzung ist Systemstabilisierung. Remigration hingegen wäre in den multiethnischen Staaten, die die westlichen Staaten nun einmal de facto bereits sind, hochgradige Systemdestabilisierung. Die politische Formel die gerade zum neuen Konsens wird, auch wenn sich die Vertreter des alten Denkens, wie man in der kommunistischen Partei Chinas sagen würde, noch dagegen wehren ist nicht Remigration, sondern Boluan Fanzheng. Weg mit dem Chaos, zurück zur Ordnung und Normalität. Das ist es, was nach Corona und Woke und Flüchtlingskrise und Inflation und Ukrainekrieg, die überwältigende Mehrheit der Menschen will. Und nicht nur die überwältigende Mehrheit der Menschen da draußen im Lande, sondern auch die stärkeren Kräfte in der Elite, die alle viel zu verlieren haben.
Die Zustrombegrenzung ist nur eine Säule einer Stabiliserungsstrategie, welche sich gerade herausbildet. Die anderen Säulen sind: Wirtschaft vor Klima und die Beseitigung des Wokeismus. Ersteres ist schlichtweg eine praktische Notwendigkeit, letzteres ist erstens nötig, um die Zustrombegrenzung durchzuführen, aber darüber hinaus auch für die Wiederherstellung des inneren Friedens. Eine Meute selbsternannter Kulturrevolutionäre, die alles und jeden canceln, der ihrem Irrsinn nicht ins Dekor passt, ist auf Dauer nicht tragbar. Die Gefahr der woken Ideologie, besteht aus der Perspektive der Systemstabilität darin, daß sie die Legitimität und Bindung der politischen Spielregeln untergräbt. Wenn ein organisierter Mob allem und jedem mit Existenzvernichtung und oft genug mit Gewalt droht, der sich nicht ihren Demütigungsritualen unterzieht oder einfach zufällig irgendwelche Leute angreift, die zur falschen Zeit das Falsche gesagt haben, dann verlieren die Regeln des politischen Systems an Bindungskraft und die schmittsche Unterscheidung in Freund und Feind tritt an ihre Stelle. Das ist keine Theorie, sondern man kann dies bereits deutlich beobachten. Die Radikalität der Methoden, mit denen Donald Trump gerade die Vereinigten Staaten verändert, wären ohne den woken Terror niemals akzeptabel geworden.
Umgekehrt aber bedeutet Systemstabilisierung, daß die Gemeinschaft der nun hier Lebenden, zumindest sofern sie legal hier leben, irgendwie zusammengehalten werden muß und Forderungen nach Remigration sind da entschieden kontraproduktiv. Ich habe das Grundproblem einmal das Magische Dreieck der Migrationspolitik genannt und erläutert, warum Demokratie, Rechtssicherheit für Migranten und der Erhalt der Nation Ziele sind, bei denen immer höchstens zwei zur gleichen Zeit erreicht werden können. Deshalb wird man für Zustrombegrenzung eine Mehrheit derjenigen hinter sich vereinen können, die etwas zu verlieren haben, während dieselben Menschen gegen Remigration stehen werden.
Sollte Friedrich Merz der Deng Xiaoping Charakterbogen gelingen, dann werden diejenigen, die weiter Remigration fordern, den himmlischen Frieden zu spüren bekommen. Was das konkret bedeutet, das sehen wir heute schon an den inzwischen täglichen Meldungen über deutsche Kinder die von migrantischen Banden aufs entwürdigendste tyrannisiert werden und man erfährt ja nur die Spitze des Eisberges. Diese Migrantenkinder sind meist sogar deutsche Staatsbürger. Die werden nicht abgeschoben.
Um von den täglichen Einzelfällen abzusehen und wieder auf eine allgemeinere Ebene zu kommen: Momentan wird das, was als rechte Wende gilt, von einer patriotischen Grundstimmung getragen. Schon mittelfristig wird sich diese Stabilisierungsbewegung aber derselben Tatsache gegenübersehen, die das späte Habsburgerreich geprägt hat: Ein multiethnischer Staat muß keinen Nationalismus so radikal unterdrücken, wie den des Staatsvolkes. Denn dessen Nationalismus stellt das Gesamtsystem in Frage, während man den Sonderinteressen kleinerer Minderheiten viel weiter entgegenkommen kann. Auch wenn jetzt woke Identitätsprojekte gestrichen werden und ich denke, daß sie für die sexuellen Randgruppen auch gestrichen bleiben, so läuft doch jeder multiethnische Staat von selbst auf ein System von Volksgruppenrechten hinaus. Die Staatsbürgerschaft, über deren Heiligkeit wir im Zuge der Correctiv-Affäre so viel zu hören bekamen, wird dabei zum Armenrecht all derjenigen, die keine Volksgruppenprivilegien für sich herausschlagen konnten.
Die Frage ist, ob die stabilisierungspolitische Wende, die nun die westlichen Staaten erfasst hat, Erfolg haben wird. Das hängt bei weitem nicht nur an der Einwanderungsfrage. Dies wird gerne übersehen, aber es ist falsch die Systemstabilität als nichts anderes als eine Frage ethnischer Konflikte zu sehen. Elitendemographie, Wirtschaft und viele andere Faktoren spielen hinein, die hier zu Weit führen würden.
Was Friedrich Merzens Lage grundlegend von der Deng Xiaopings unterscheidet ist, daß Deng nur die Balance zwischen einer gescheiterten, aber immer noch mächtigen Ideologie und ihren Profiteuren auf der einen, den notwendigen Reformen auf der anderen Seite halten musste. Wo er die kommunistische Planwirtschaft beseitigte, stellte sich die Marktwirtschaft von selbst ein und mit ihr stieg der Wohlstand, jedenfalls verglichen jedenfalls mit vorher, von selbst.
Merz droht nicht im Falle seines Scheiterns erschossen zu werden, aber er hat sachlich das viel größere Problem vor sich. Die bloße Beseitigung der Ideologie und der Ideologen beseitigt nicht die Folgen und das gilt nicht nur für die Migrationsfrage. Die deutsche Energieinfrastruktur ist auf gute Beziehungen zu Rußland, unser ganzes Wirtschaftsmodell auf eine globalistische Weltwirtschaft ausgerichtet. Jenseits der ethnischen Verdrängung des deutschen Volkes, ist auch die Überalterung mit all ihren Folgen bereits in die Lage eingebacken und kann in ihren Folgen gemildert, aber nicht behoben werden.
Vielleicht gelingt es Friedrich Merz ein Deng Xiaoping zu werden. Vielleicht wird er aber auch ein Mirabeau, oder gar ein Kerenski. Vielleicht, und das ist, was ich für das Wahrscheinlichste halte, wird er einer derjenigen Reformer, denen es gelingt, die Konflikte für eine halbe Generation aufzuschieben.