Nachlese des Gesprächs mit Martin Sellner, Marius und Felix. Die Jugend ohne Migrationshintergrund ist die Gruppe, die alle Lasten schultern soll und sie allein hat kein politische Stimme.
(Bild: Midjourney)
Die Generationenverhältnisse, soweit sie rechte Politik betreffen, spielen sich auf drei verschiedenen Ebenen ab.
Die erste Ebene ist diejenige, für welche sich das Wort Vorfeld durchgesetzt hat. Die zweite Ebene ist vor allem diejenige der politischen Parteien, aber generell aller festgefügten politischern Organisationen. Schließlich gibt es die gesamtgesellschaftlichen Verteilungskonflikte zwischen den Generationen außerhalb des rechten Lagers.
Diese Unterteilung ist deswegen so wichtig, weil die Dynamik zwischen den Generationen auf jeder dieser Ebenen eine andere ist. Ein nicht geringer Teil der Verwirrung beruht auf ihrer Verwechslung und Vermischung. Deshalb redet man bei diesem Thema auch meist aneinander vorbei.
Die am wenigsten konfliktbelastete Ebene ist diejenige des Vorfeldes. Dort kann im Grunde jeder sein eigenes Ding machen und wenn jemand anders etwas anderes macht, dann ist das eben so. Er schadet einem deswegen ja nicht. Auch im Vorfeld gibt es Konkurrenz, aber es ist vor allem eine Konkurrenz um Zuschauer oder Kunden. Diese verteilen sich auf verschiedene Zielgruppen. Deshalb ist es sogar so, daß die Wahrscheinlichkeit eines Konfliktes zwischen zwei Vorfeldakteuren mit ihrer Altersdifferenz abnimmt. Denn die Altersdifferenz ist eine der Trennlinien, welche das Publikum in unterschiedliche Zielgruppen aufteilt. Aber auch unabhängig vom Alter überschneiden sich die Zielgruppen zweier Vorfeldakteure umso mehr, je ähnlicher beide sowohl inhaltlich, als auch stilistisch und von ihrer Mentalität her sind. Deshalb konkurrieren Vorfeldakteure um so stärker miteinander, je ähnlicher sie sind. Das bringt seine ganz eigenen Dramen mit sich, aber auf den Generationenkonflikt wirkt es dämpfend. Was durchaus gemacht wird ist, daß ein Influencer die Generationendebatte anheizt um Aufmerksamkeit zu generieren. Aber das hat eben nicht dieselbe Schärfe, wie echte Konkurrenz, bei der man einander die Butter vom Brot nimmt. Im Gegenteil: Es ist das offenste Berufsgeheimnis der Influencer, daß ein grundsätzlicher Gegner der beste Geschäftspartner ist. Mit ihm kann man sich öffentlich zanken und beide bespielen damit ihr jeweiliges Publikum.
Es gibt aber noch einen anderen Grund, aus dem der Generationenkonflikt im Vorfeld keine große Rolle spielt. Den inneren Aufbau von Vorfeldakteuren selbst: Zum einen sind sie in ihrer Größe meist sehr überschaubar. Entweder sind es Ein-Mann-Projekte, oder sehr überschaubare Organisationen aus Gleichgesinnten. Vergleichsweise selten muß man sich innerhalb eines Vorfeldprojektes mit Leuten herumschlagen, die von ihrer ganzen Weltanschauung, Haltung und Mentalität her anders gestrickt sind, eben weil schon die Zugehörigkeit zum einen oder anderen Projekt eine Vorauswahl trifft. Wichtiger aber noch ist, daß Vorfeldprojekte meist nach dem Prinzip Aktivist/Unterstützer aufgebaut sind. Das gilt bei weitem nicht nur für solche Projekte, die im landläufigen Sinne aktivistisch sind. Ein Verlagsprojekt oder eine Zeitschrift funktionieren genauso. Fragen zur Zeit funktioniert genau so. In letzterem Falle bin ich der Aktivist und Sie sind, vor allem wenn Sie ein Vollabonnement oder gar ein Förderabonnement abschließen, der Unterstützer.
Der Aktivist ist dabei von seinen Unterstützern finanziell abhängig. Ein gutes Stück wird er ihnen nach dem Mund reden müssen, aber er entscheidet doch selbst was er tut. Er muß Rücksicht auf die Befindlichkeiten seiner Unterstützer nehmen, aber diese Unterstützer bilden kein Gremium, vor dem er für jedes seine Projekte um eine Genehmigung betteln muß. Deshalb bietet das Vorfeld jungen, unternehmerischen Männern ein Tätigkeitsfeld, auch wenn es oft ein sehr hartes Brot ist.
Das sieht auf der Ebene der Partei ganz anders aus. Ich spreche hier von Parteien, weil sie hier mit großem Abstand die wichtigsten Institutionen sind, aber grundsätzlich herrschen ähnliche Dynamiken in den meisten anderen politischen Großorganisationen auch. Dort werden Entscheidungen durch Gremien, Wahlen und Abstimmungen getroffen, oder von Personal, das durch Gremien, Wahlen und Abstimmungen in sein Position gelangt ist. Anders als im Vorfeld, wo die persönliche Initiative entscheidet, braucht man in einer Partei die Zustimmung der zuständigen Instanzen. Das schafft eine gänzlich andere Generationendynamik, als im Vorfeld.
Wenn ein junger Vorfeldakteur von einem Boomer Spenden für sein Projekt erhält und fünf andere ihm sagen, daß er mal anständig Arbeiten gehen soll, dann bedankt er sich bei dem Spender und die fünf anderen sind ihm egal. Er macht einfach sein Ding. In der Partei sitzen alle sechs Boomer in einem Gremium, jeder mit einer Stimme und sein Vorschlag wird abgelehnt und stattdessen gehen Zeit und Ressourcen in irgendetwas bei dem der Phantomschmerz über die untergegangenen BRD-West (und gelegentlich auch über die DDR) aus allen Gelenken knirscht. Es ist das bekannte Paradox der AfD, daß sie den jüngsten Wählerdurchschnitt, aber die ältesten Abgeordneten hat. Über die Entscheidungsstrukturen der Partei geben diese Alten die Marschrichtung für alle vor. Ich will das an einem Beispiel erklären, das ich persönlich erlebt habe: Vor einem Jahr war ich auf einer Tagung der Jungen Alternative als Redner gebucht. Erst viel später habe ich erfahren, daß mein Honorar, genauso wie sämtliche anderen Kosten der Veranstaltung, nicht aus Parteigeldern bezahlt, sondern von einem JA-Aktivisten vorgestreckt worden war, der im Nachhinein auf einem erheblichen Teil der Kosten für die Veranstaltung sitzengeblieben ist. Der besagte Aktivist ist bald darauf ausgetreten und sagte mir er habe erkenne müssen, daß die Boomer in der AfD nun einmal den Machtkampf gewonnen hätten und auf mindestens 10 Jahre mit der Partei deshalb nichts anzufangen seien würde. Damit steht er bei weitem nicht alleine da. Andere sind geblieben, aber mit der Faust in der Tasche, weil sie zur Alternative keine Alternative sehen. Dieser Mann war kein Berufspolitiker, der von der Sache gelebt hätte, sondern er gehörte zu jenem politischen Mittelbau, aus engagierten Leuten, die ihre Freizeit und oft genug ihr Geld in die Sache stecken. Diese Leute sind nie der Kopf, wohl aber das Rückgrat jeder politischen Bewegung. Ironischerweise vergrault man damit übrigens den Teil der jungen Leute, der tatsächlich über den Fetisch der Berufserfahrung verfügt und es persönlich nicht nötig hat, sich in einem Verein zu engagieren, der ihn gar nicht haben will.
Jetzt sagen manche, daß das eben so sei, weil unsere Gesellschaft eben überaltert ist. Das ist eine halbe Wahrheit und eine ganze Lüge. Die halbe Wahrheit besteht darin, daß dies vielleicht anders wäre, wenn denn die demographische Gesamtlage anders wäre. Vielleicht. Die ganze Lüge besteht nämlich in der impliziten Behauptung, daß diese demographische Gesamtlage sich eins zu eins auf die Machtlage innerhalb einer politischen Organisation überträgt. Wer Politik sagt, sagt Organisation. Es sind organisierte Gruppen die in der Politik und auch in einer Partei die Richtung vorgeben. Das gilt auch für Generationen. Die Zeit des Ersten Weltkrieges und der Zwischenkriegszeit gilt manchen als Zeitalter heute unerreichbarer politischer Jugendenergie. Schaut man sich an, was Fiume und Freikorps tatsächlich erreicht haben, versteht man, warum die Zeitgenossen über die Herrschaft der Alten stöhnten. Geprägt wurde diese ganze Epoche durch niemanden so sehr, wie durch den Architekten der europäischen Zwischenkriegsordnung, Georges Clemenceau, Geburtsjahr 1841. In Deutschland führte die Weltwirtschaftskrise zunächst einmal zur Machtergreifung der Camarilla um den tattergreisen Hindenburg.
Wenn die Jugend ihre Interessen vertreten will, dann muß sie sich organisieren und genau das wollen die anderen Interessierten selbstverständlich verhindern. Eine solche Organisation der Jungen würde sich ja automatisch gegen die Alten wenden. Das wäre ja ihr ganzer Sinn. Räume zu schaffen, die nicht vom Veto der Boomermehrheit geschlossen werden, also Machtbeschneidung der Alten.
Der Machtkampf zwischen Alt und Jung ist in der Partei deswegen real, unvermeidlich und bis und auf Weiteres haben die Alten ihn gewonnen. Seine Härte erhält aber der innerparteiliche Generationenkonflikt erst aus der Verbindung mit dem gesamtgesellschaftlichen Generationenkonflikt.
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