Doch, wir haben den Krieg verloren
Heitere Meditation über Niederlagen und die dunkle Seite der Macht.
(Dresden 1945: Bundesarchiv, Bild 183-Z0309-310 / G. Beyer / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons)
Ich muß etwas gestehen: Ich schaue mir den ganzen Zirkus um Erik Ahrens an. Einige Leute folgen dem Drachengame. Ich folge dem Ahrensgame. So unterscheidet sich eben der Aristokrat vom Pöbel. Und normalerweise genieße ich das einfach und kommentiere nicht. Ich tue das auch jetzt nicht um Kubitschek oder Sellner, oder Krah oder sonst irgendeinen der Leute zu verteidigen, mit denen sich Ahrens überworfen hat. Das sind alles erwachsene Männer und die können das selbst tun. Wenn sie es denn für sinnvoll halten.
Es geht mir um das vielleicht Absurdeste, was Ahrens bisher von sich gegeben hat, das aber zu den wenigen Dingen zählt auf die eine Antwort lohnt: Wir Deutschen hätten den Krieg, den Zweiten Weltkrieg doch gar nicht verloren. Beweis: Unsere Feinde wollten uns vernichten, siehe Morgenthauplan, siehe Kaufmanplan und wir sind immer noch da. Folglich hätten unsere Feinde ihr Kriegsziel ja nicht erreicht.
Nun, was das beweist ist, daß wenig so heiß gegessen, wie es gekocht wird, geschenkt. Darin liegt übrigens einer der Nachteile daran, einen Krieg zu verlieren. Man kann dann nie beweisen, daß entsprechende Pläne der eigenen Seite, bei uns wäre das der Generalplan Ost gewesen, der angespannten Nervenlage geschuldet waren und nach dem Sieg in den Archivschubladen verschwunden wären.
Das lustige ist nur dies: Ahrens streut beständig irgendwelche augenzwinkernden Referenzen an den Nationalsozialismus ein. Nun gut. Ich will mich nicht aufregen. Leute, die so tun, als müssten sie nach dem Anblick eines Hakenkreuzes zum Therapeuten, sind lächerlich. Ich will Ahrens auch nicht fragen, ob er denn Nationalsozialist sei, denn es ist unverschämt jemandem in der Öffentlichkeit eine Frage zu stellen, die dieser aus Gründen politischer Repression nicht sinnvoll beantworten kann. So wie etwa wenn man einen AfD-Politiker fragt, ob er für den Bau deutscher Atombomben sei. Ich bin übrigens dafür, aber das ist ein anders Thema.
Aber wenn Ahrens ein Nationalsozialist sein sollte, dann wäre er ein schlechter Nationalsozialist, ein Möchtegernnationalsozialist. Die Nationalsozialisten haben sich den verlorenen Ersten Weltkrieg nämlich nicht so zurecht gecoped, wie Ahrens den Zweiten. In Mein Kampf schrieb Hitler sogar, daß Deutschland schon vor dem Ersten Weltkrieg keine Weltmacht mehr gewesen sei, weil es dafür einfach zu klein war und Weltmächte schon zu seiner Zeit, also vor hundert Jahren, kontinentale Ausmaße voraussetzten.1
Der Herr Ahrens scheint da anderer Meinung zu sein, schließlich will er im Namen eines grünnationalistisch-feministischen Imperialismus den Russen und Chinesen Afrika streitig machen. Daß er dabei die Deutschen wortwörtlich als „auserwähltes Volk“ bezeichnet passt wie die Faust aufs Auge, nur hat er dieses Wort auch nicht von Hitler.
Eines der regelmäßigen Themen auf Frage zur Zeit sind die neuen Mythen. Ich behaupte ja, daß heutige Fantasy- und Science Fiction Literatur für uns heutige Menschen eine ähnliche Bedeutung hat, wie die Ilias oder das Nibelungenlied für die Menschen der Agrarepoche. Sie erzählen uns, wer wir sind. Eines der Universen, denen man den Status eines solchen neuen Mythos nicht absprechen kann, ist das von Star Wars. In den Geschichten von vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis gibt es ein Thema, daß mich schon als Jugendlichen fasziniert hat: Ein Jedi kommt vom Weg ab und verfällt an die Dunkle Seite der Macht. Meist wegen irgendwelcher kleinlichen persönlichen Geschichten. Er hält sich nun für einen großen Sithlord. Dann öffnet er zum ersten Mal ein Holocron der Sith oder tritt auf andere Weise mit den Geistern der alten Sithmeister in Verbindung. Und die alten dunklen Meister lachen ihn einfach aus.
Das ist Erik Ahrens. Der gefallene kleine Jedi wird von den Sithmeistern ja nicht deshalb ausgelacht oder abgelehnt, weil er böse ist. Das böse sein haben Sith so an sich. Er wird deshalb ausgelacht, weil er die Lehren der Dunklen Seite nie auf sich selbst anwendet, sondern glaubt das sei alles nur ein Spiel um das eigene Ego aufzublasen, irgendeinen Groll zu befriedigen, oder sich anderen überlegen zu fühlen.
Jede Moral der Stärke erhält ihre Wahrheit und ihre Würde erst da, wo sie sich gegen ihren Vertreter selbst richtet. Tatsächlich erst in der Niederlage. Was paradox klingt aber einsichtig ist: Eine absolute Moral, eine Moral von Gut und Böse, ist für den Sieger angenehmer. Denn er ist ja der Gute und seine Moral sagt ihm, daß er siegt, weil er der Gute ist. Nur siegt niemand für immer und niemand lebt ewig. Eines Tages wird der letzte Deutsche sterben. Vielleicht in hundert Jahren, vielleicht in tausend Jahren, vielleicht in zehntausend Jahren. Ich hoffe, daß er in der letzten Stunde unseres Volkes mit Stolz und Melancholie in die Sterne blick. Das ist weit mehr, als alle erhoffen können, die sich für gut, auserwählt, Träger der Geschichte, rechtgläubig oder sonstwas der Art halten. Für sie ist die letzte Stunde die, in der jede vorangegangene Stunde nichts als Lüge gewesen ist. Deshalb haben sie eine religiöse Angst vor dem Tod, wenn nicht vor dem individuellen, dann vor dem kollektiven. Mit der bloßen Möglichkeit des eigenen Endes hätte die Weltgeschichte für sie jeden Sinn verloren.
Wir Deutschen wissen besser als jedes andere Volk, daß wir sterben können. Hierin, in diesem Wissen liegt auch die größte Hoffnung darauf, daß wir, oder zumindest etwas von uns die Zeiten überdauern wird, die dieser Welt bevorstehen.
Ach Erik. Du musst noch so viel lernen. Vielleicht hälfe es, wenn du dich nicht nur mit Leuten umgeben würdest, bei denen dir nicht mehr so viele Jahre fehlen, daß du ihr Vater sein könntest.
Hitler, Adolf (1927): Mein Kampf, Bd. 2 Kp. 14.