Wie weiter? Die AfD auf dem internationalen Parkett
Für mich persönlich war es besonders merkwürdig heute morgen nach der Europawahl die Nachricht zu lesen: Die AfD-Delegation im europäischen Parlament stimmt gegen die Aufnahme des eigenen Spitzenkandidaten Maximilian Krah.
(Bildquelle: https://maximilian-krah.eu/)
Erst am Samstag hatte ich auf Einladung der Jungen Alternative Bayern darüber gesprochen, daß die Außenpolitik eben nichts ist, mit dem man sich erst nach einer Regierungsübernahme im Bund beschäftigen kann. Die AfD ist eine wichtige politische Kraft im wichtigsten Land Europas. Im Rest Europas, in Rußland, China und vor allem den Vereinigten Staaten hören interessierte Kreise sehr genau, was die AfD zu sagen hat und sie reagieren entsprechend. Außenpolitik hat jetzt bereits eine Wirkung direkt in die Partei hinein hat.
Die Fälle Maximilian Krah und Petr Bystron waren die naheliegendsten Beispiele. Nun hat die AfD ihren Spitzenkandidaten auch (!) deshalb abgesägt, um zu einer Einigung mit der beachtlichsten Wahlsiegerin dieser Europawahl zu gelangen: Marine le Pen, deren Rassemblement National, nach aktuellen Hochrechnungen zwischen 31,5% und 32,5% der französischen Stimmen errungen hat, mehr als das Doppelte der Renaissance-Partei des Französischen Präsidenten Macron. Macron hat in Reaktion auf die Niederlage bereits das französische Parlament aufgelöst und Neuwahlen ausgerufen.
Ich sagte, daß Maximilian Krah auch deswegen nicht Teil der neuen AfD-Delegation seien wird. Denn selbstverständlich ist die Intrige gegen ihn auch Teil eines innerparteilichen Machtpokers, das fehlgeleiteter nicht seien könnte. Beim Streit um Krah kommen ja zwei Dinge zusammen: Zum einen seine offene Fürsprache für einen Ausgleich mit Rußland und China, zum anderen aber die Tatsache, daß er sich eine Präsenz in den sozialen Medien aufgebaut hat, die sein Profil über seine bloßen Amts- und Mandatsfunktionen hinaushebt. Das passt denjenigen in der Partei nicht, die die neuen Medien nicht so gut nutzen. Dasselbe Muster findet sich auch in der Kampagne gegen Matthias Helferich und andere. Es ist ein Phänomen, das zu den neuen Medien dazugehört und nicht mehr wegzubekommen seien wird. Doch das soll hier nicht das Thema sein.
Die andere Hälfte der Geschichte ist, daß wir begreifen müssen, daß außenpolitische Programme und Aussagen eben mehr berücksichtigen müssen, als das innerdeutsche Publikum. Wer meint sich hier immer noch nach den Prinzipien der Wähleransprache verhalten zu dürfen, hat den Schuß nicht gehört. Und es war nicht Maximilian Krah, der es für eine gute Idee hielt, an einem nicht so lange zurückliegenden 9. Mai auf der Siegesfeier in Moskau auftreten zu müssen.
Doch lassen wir das ermüdende Spiel persönlicher Anschuldigungen beiseite. Dann sehen wir, vor welch unglaublich vertrackter Aufgabe die AfD steht, wenn sie das Auftreten ihrer Mitglieder und Funktionäre auf dem internationalen Parkett regeln will. Die Kernaufgabe dieser Partei kann nur die Vertretung deutscher Interessen sein. Vor allem des grundsätzlichen Lebensinteresses unseres Volkes, daß Deutschland das Land der Deutschen bleibt. Sie muß also einen Bruch mit derjenigen Einwanderungspolitik vollziehen, die in allen Ländern der „westlichen Wertegemeinschaft“ obligatorisch ist.
Das ist schon innenpolitisch keine leichte Aufgabe, aber Deutschland ist nun einmal keine Insel und keines unserer Probleme kann bewältigt werden, wenn man glaubt, die Kräfte und Konstellationen jenseits unserer Grenzen ignorieren zu dürfen. Um auch nur zu überleben, muß die AfD in der Lage sein, unter unterschiedlichsten außenpolitischen Bedingungen zu operieren. Niemand, der nach 1945 geboren wurde, hat eine Weltpolitik erlebt, die so volatil war, wie die heutige. Der Zusammenbruch des Ostblocks war ein kleiner Betriebsunfall dagegen. Niemand kann heute die Struktur Europas in zehn Jahren voraussagen. Diese Entscheidungen liegen nicht allein in unserer Hand. Da haben sowohl die internationalen Großmächte, als auch unsere europäischen Nachbarn ein Wörtchen mitzureden. Doch was immer in Washington, Moskau, oder Peking, in Paris, London oder Warschau passiert, die AfD muß in der Lage sein mit all den Konstellationen zu arbeiten, welche sich ergeben mögen. Irgendeinen Wunschzustand, sei dieser nun transatlantisch oder eurasisch, zur Weltanschauung zu erklären, liefe auf die völlige Politikunfähigkeit hinaus, sollte dieser Wunschzustand nicht gegeben sein.
Dabei steht die AfD vor einer Herausforderung, die sich ihren Konkurrenten aus dem Altparteienkartell gar nicht stellt: Wie erhält man die Souveränität der Partei über ihre eigenen Entscheidungen, wenn Versuche auswärtiger Einflußnahme als gegeben angenommen werden müssen? Angesichts sowohl der altbekannten transatlantischen Beeinflussung der deutschen Elite seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, wie auch neuerer Versuche der Einflußnahme aus Russland und China stellt sich die Frage: Wie verhindert man Versuche der Unterwanderung? Denn ein primitives Kontaktverbot „ins Ausland“ ist völlig unmöglich. Politiker zu sein bedeutet Kontaktpflege.
Für die Altparteien existiert dieses Problem nicht. Sie sind geopolitisch, wie innenpolitisch auf den derzeitigen westlichen Konsens ausgerichtet. Ob Grüne oder Union: Mitgliedschaft bei der Atlantikbrücke ist, ist eine Empfehlung, daß jemand an einer Tagung des Waldai-Klubs teilnehmen würde, ist unvorstellbar. Wer nicht deutsch denkt, sondern sein Urteil an irgendeine Wertegemeinschaft ausgelagert hat, lebt bequemer.
Für die AfD ist das nicht so einfach. Sie bräuchte Vorgaben wie sich ihre Funktionäre auf dem internationalen Parkett zu verhalten haben. Diese müssen zweierlei erfüllen: Erstens muß geklärt werden, was ein AfD Funktionär auf dem internationalen Parkett tun darf und was nicht. Zweitens, und dies beides müßte Hand in Hand gehen, müßte dabei auch geklärt werden, daß ein AfD Funktionär, der sich an diese Vorgaben hält, nicht wegen äußerer Angriffe fallen gelassen wird.
In der Praxis ist das freilich sehr schwierig. Man könnte sogar dagegen argumentieren, daß es politisch das Geschickteste wäre, alles weiterhin im Wagen zu belassen, anstatt sich selbst ein solches Regelkorsett aufzuzwingen. Nur sehen wir gerade wohin das führt. Niemand kann Maximilian Krah vorwerfen, daß er gegen irgendeine Richtlinie der Partei verstoßen hat. Aber die Parteiführung ist nicht gewillt, ihn gegenüber Angriffen aus dem Ausland zu halten. Und selbst wenn wir der gegenwärtigen Parteiführung unterstellen, daß ihre einzige Motivation der innerparteiliche Machtkampf sei, dann bestünde immer noch das Problem, daß eine solche Parteiführung ihre Motivation hinter angeblichen oder tatsächlichen Notwendigkeiten der internationalen Politik verstecken könnte.
Nur welche Möglichkeiten gäbe es da? Ein primitives Verbot sich als Parteifunktionär mit dem Ausland einzulassen ist wie gesagt unmöglich. Man könnte über eine Art außenpolitische Unvereinbarkeitsliste nachdenken, auf welcher Organisationen und Veranstaltungen gelistet werden, mit denen ein AfD-Funktionär keinen Kontakt haben darf. Doch nach allen Erfahrungen mit der bestehenden innenpolitischen Unvereinbarkeitsliste würde diese Maßnahme alles nur noch viel schlimmer machen. Die Zusammenstellung einer solchen Liste wäre ein gefundenes Fressen für alle Intriganten. Das Grundproblem mit Unvereinbarkeitslisten ist unüberwindbar: Diejenigen, die über die Unvereinbarkeit zu beschließen haben, können über die einzelnen Organisationen, die irgendwer auf dieser Liste haben möchte, kaum etwas wissen. Sie haben schlichtweg nicht die Zeit, sich angemessen zu informieren. Unvereinbarkeitslisten scheitern immer an der Informationsökonomie der Parteiorganisation.
Selbst eine Maßnahme, die auf den ersten Blick einfach und vernünftig aussieht, wie das Verbot der Mitgliedschaft in ausländischen politischen Vereinigungen ist nicht praktikabel. Denn was zählt als politische Vereinigung? Gut, die Atlantikbrücke fiele darunter. Aber wie sähe es mit Rotary aus? Und wo wir dabei sind: Was wäre mit dem Dachverband der Deutschen Burschenschaf? Gut ein Drittel der DB-Verbände sitzt in Österreich.
Wir sehen wie vertrackt das alles ist. Die Lösung kann nur eine Mischung aus Regulation und der Belassung von Freiräumen sein.
Mein Vorschlag ist der Folgende: Erstens, die Beschränkungen werden ausschließlich den Bundestagsabgeordneten, Europaabgeordneten den Mitgliedern des Bundesvorstandes und den Vorsitzenden der Landesverbände auferlegt. Das nimmt schonmal einen Großteil des Sprengstoffes heraus, den anzugehen sich nicht lohnt. Was niedrigere Chargen tun, ist bei weitem nicht so relevant. Vor allem aber ermöglicht das eine informelle Regulation, die auf einem gemeinsamen Grundkonsens beruht.
Die eine feste Vorgabe, die diesen Personen, die gut von der Politik leben können, auferlegt werden soll, ist ein vollständiges Verbot jedweder bezahlter Tätigkeit für ausländische Organisationen, Unternehmen und Privatpersonen gleich welcher Art. Das sollte nicht kontrovers sein.
Ebenso muß es absoluter Konsens werden, daß die AfD sich in Personalfragen nicht vom Ausland erpressen lässt. Die heutige Entscheidung, Maximilian Krah nicht in die Europadelegation aufzunehmen ist das erbärmlichste Schwächesignal, daß diese Partei seit langem ausgesendet hat. Diese Nichterpressbarkeit kann leider nicht im Parteistatut verankert werden, weil ihre Verletzung ja nie juristisch nachweisbar wäre, umsomehr muß sie zum eisernen Grundsatz werden, den kein Parteifunktionär brechen kann, ohne sich massivem inneren Widerstand ausgesetzt zu sehen.
Wie wir aber oben gesehen haben, gibt es über ganz wesentliche Bereiche des außenpolitischen Verhaltens keine sinnvolle Möglichkeit, sie durch Vorschriften festzulegen. Aber eine Gruppe, die klein genug ist, ist in der Lage, solche Fragen durch ein gemeinsames Verständnis, durch ihren inneren Takt zu vorzugeben. Eine Form von Etikette, die zwar im Einzelfall dehnbar ist, aber nichtsdestotrotz einen Rahmen für das vorgibt was geht und was nicht geht. Diese Etikette wird dann auch organisch nach unten durchsickern und grobes Fehlverhalten niedrigerer Mitglieder in Grenzen halten. Ein solches gemeinsames Verständnis ist auch das einzige, was gegen die unterschwelligste und gefährlichste Form der Einflußnahme abschirmt. Diese besteht weder in Bestechung noch in Erpressung, sondern darin, daß die Meinungen, die Mitglieder und Funktionäre der AfD zu außenpolitischen Fragen haben, eben von anderen Akteuren geprägt werden, wenn Partei und Vorfeld dazu nichts, oder nichts vernünftiges zu sagen haben. Nicht nur plappern Politiker dann irgendwelche Talking Points aus dem Ausland nach, was noch schlimmer ist, ist das so entstehende wirre Sammelsurium von Ansichten, welche jede Koordination der Partei in außenpolitischen Fragen unmöglich macht. Das Wort „Metapolitik“ ist heute in großen Teilen zu einem politischen Fetisch verkommen, doch hier haben wir es tatsächlich in erheblichem Maße mit einer Bildungsaufgabe zu tun.
Die Führungsriege der AfD muß sich sehr ernsthafte Gedanken über ihre eigene Lage und die Lage Deutschlands in Europa und der Welt machen. Deutschland ist keine Insel. Die AfD muß innerhalb der jetzigen, wie möglicher zukünftiger Bündniskonstellationen handlungsfähig sein. Über alles andere kann man reden.
Weiterführende Texte auf Fragen zur Zeit:
Die Westbindung: Ein deutsches Dilemma in Europa Audiotextversion: Hier
Patriotismus in einem Land Audiotextversion: Hier
Gegen einen europäischen Nasserismus Audiotextversion: Hier
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